Im Zuge der Lehrveranstaltung „Proseminar Master’s Thesis“ bin ich auf den Artikel „Am I an entrepreneur? How imposter fears hinder women entrepreneurs’ business growth” gestoßen. Der Artikel schien mir als sehr interessant für mein Masterarbeitsthema. Auf der ersten Seite waren Keywords angegeben, die mich sofort darauf schließen ließen, dass der Text für meine Arbeit wichtig sein könnte. Es gibt einen Abstrakt, der das Thema kurz zusammenfasst. Die Kapitel sind nummeriert und haben aussagekräftige Überschriften. Es handelt sich um einen Artikel der Kelley School of Business. Der Text ist auf Englisch verfasst und überrascht durch seine wissenschaftliche und gleichzeitig verständliche Sprache.
Frauen in der Selbstständigkeit begegnen spezielle Herausforderungen. Obwohl immer mehr Frauen ins Unternehmertum einsteigen, bleibt ein Leistungsgefälle zwischen den Geschlechtern bestehen. In den USA stieg die Zahl an Unternehmerinnen zwischen 1997 und 2013 um 59 %. Laut der World Bank waren im Jahr 2019 weltweit zwischen 25 % und 33 % aller privaten Unternehmen im weiblichen Besitz. Trotz des enormen Zuwachses haben Studien gezeigt, dass Unternehmen in weiblichem Besitz weniger Vermögenswerte haben, kleiner sind und sich durch ein langsames Wachstum auszeichnen. Zusätzlich sind sie weniger rentabel als die Unternehmen im männlichen Besitz. Ladge, Eddleston und Sugiyama sind durch ihre Recherche auf zwei mögliche Gründe gestoßen, die dieses Leistungsgefälle zwischen den Geschlechtern begründet. Sie sprechen von der „differential inputs perspective“ und der „differential valued perspectiv“, was mit „differenzielle Input-Perspektive“ und „differenzielle Werteperspektive“ übersetzt werden kann. Die Input-Perspektive besagt, dass Frauen als Unternehmerinnen im Vergleich zu Männern schlechter abschneiden, weil ihnen wichtiger Input und Zugang zu Ressourcen (z.B.: Sozial- und Finanzkapital) fehlen, die für den Erfolg eines Unternehmens wichtig sind. Die differenzierte Werteperspektive beschreibt das Phänomen, dass Frauen mehr Wert auf die Karrierezufriedenheit legen. Dazu zählen gute Beziehungen zu Mitarbeiter*innen und Kund*innen und die Vereinbarkeit mit Beruf und Familie. Laut der Forschung von Powell und Eddleston aus dem Jahr 2008, sind Unternehmerinnen genauso zufrieden wie ihre männlichen Kollegen. Der geringere Umsatz und die geringere Unternehmensleistung spielen für die Zufriedenheit der Unternehmerinnen keine Rolle. Ladge, Eddleston und Sugiyama haben Studien zusammengetragen, die zeigen, dass Frauen das Wachstum ihrer Unternehmen bewusst begrenzen. Es handelt sich um eine bewusste Entscheidung der Unternehmerinnen. Frauen und Männer führen das Unternehmertum unterschiedlich aus. Die männliche Domäne des Unternehmertums kann die Bestrebungen und Erfolge von Frauen limitieren. Die differenzielle Input-Perspektive klärt externe Kräfte, die das Wachstum eines Unternehmens einschränken können, während die differenzielle Werteperspektive die unternehmerische Identität und ihre Geschlechtsspezifität berücksichtigt.1
Die Forschung zeigt, dass Kapitalgebende Unternehmerinnen als weniger glaubwürdig und engagiert wahrnehmen als männliche Unternehmer. Laut Ladge, Eddleston und Sugiyama gibt es allerdings nur eine Studie, die untersucht, inwieweit sich Unternehmerinnen selbst als Unternehmerinnen identifizieren. Die Studie wurde im Jahr 2005 von Verheul, Uhlaner und Thurik durchgeführt und zeigt, dass Frauen sich eher weniger als Unternehmerinnen sehen, da der Begriff „Entrepreneur“ selbst eine männliche Konnotation hat. Ladge, Eddleston und Sugiyama gehen davon aus, dass die geschlechterspezifische Identität von Unternehmerinnen, einen Einfluss darauf hat, ob und inwieweit sie sich selbst als Unternehmerin sieht. In diesem Zusammenhang wird die geschlechterspezifische Identität durch das Vorhandensein von Eigenschaften verstanden, die männlichen oder weiblichen Personen zugeschrieben werden. Wie ausgeprägt die unternehmerische Identität ist, beeinflusst wiederum die Bereitschaft, das eigene Unternehmen zu Wachstum zu verhelfen. Laut den Autorinnen ist diese Forschung wichtig, denn wenn Unternehmerinnen das Wachstum bewusst einschränken, schöpfen sie nicht ihr volles Potenzial aus und minimieren ihren Einfluss in der Wirtschaft. Um zu verstehen, warum Unternehmerinnen zögern sich selbst, als Unternehmerinnen zu bezeichnen, greifen die Autorinnen das „Imposter Phenomenon“ auf. Das „Imposter Phenomenon“ bezieht sich auf die Selbstzweifel von Menschen im Hinblick auf ihre Fähigkeiten und Erfolge. Für die Untersuchung der Wachstumsabsichten von Unternehmen, die von Frauen geführt werden, scheint dieses Phänomen passend. Es erklärt, warum erfolgreiche Individuen und Personen in Führungspositionen, ihre Erfolge nicht verinnerlichen können. Daraus resultiert, dass sie die eigenen beruflichen Ziele niedriger ansetzen.2
Der Artikel bearbeitet drei wichtige Aspekte zur Forschung an Unternehmerinnen. Zuerst wird gezeigt, wie die maskuline Prägung des Unternehmertums die weibliche unternehmerische Identität und das Unternehmenswachstum beeinflussen kann. Frauen, die mehr Eigenschaften besitzen, welche Männer zugeschrieben werden, streben ein größeres Wachstum ihres Unternehmens an. Durch solche Beispiele wird klar, dass unter Unternehmerinnen eine große Heterogenität besteht. Es gibt nicht die eine „typische Unternehmerin“, sondern eine Bandbreite an verschiedenen Persönlichkeiten und unternehmerischen Identitäten. Als Zweites wird das Imposter Phänomen auf das Unternehmertum von Frauen ausgedehnt. Als dritten Aspekt werden Strategien aufgezeigt, die dem Imposter Phänomen entgegenwirken und Frauen ermutigen ihre eigene unternehmerische Identität zu entwickeln.3
1 Vgl. Ladge/Eddleston/Sugiyama 2019, S. 615f
2 vgl. Ladge/Eddleston/Sugiyama 2019, S. 616f
3 vgl. Ladge/Eddleston/Sugiyama 2019, S. 617
Literaturverzeichnis:
Ladge, Jamie/Eddleston, Kimberly/Sugiyama,Keimei: Am I an entrepreneur? How imposter fears hinder women entrepreneurs’ business growth. In: Business Horizons 62,5 (2019), S.615-624