Die „12 Principels of Animation“ wurden in den Walt Disney Studios entwickelt um die Qualität der Bewegtanimation zu standardisieren und zu verbessern. Diese Prinzipien sind auch heute noch ein Fundament, wenn es um die Kreation von expressive, lebensechte und emotionale Charakterentwicklung geht. Sie bieten AnimatorInnen ein Framework, um dynamische und fesselnde Geschichten zu entwickeln.
Squash and Stretch
Diese Technik ist eine der wichtigsten Prinzipien in der Animation, sie unterstreicht die Elastizität von Objekten und Charakteren, um die Bewegungen, vor allem das Zusammenziehen und Ausdehnen im realen Leben, nachzuahmen. Es gibt den Objekten ein Gewicht und Flexibilität und gleichzeitig bleibt das Volumen des Objektes gleich. Anhand der klassischen Bouncing Ball Animation ist diese Technik sehr gut erkennbar. Der Ball wird, wenn er den Boden trifft, horizontal auseinandergezogen – squash und beim hinauf fliegen wieder vertikal – stretch. Diese Technik gibt Charakteren in Filmen mehr Persönlichkeit, wie beispielsweise übertriebene Gesichtsausdrücke oder das Biegen der Gliedmaßen bei dynamischen Bewegungen. Es ist nicht nur eine technische Entscheidung, diese Technik anzuwenden, es lässt die sonst statistischen Zeichnungen lebendig und pulsierend erscheinen.
Anticipation
Diese Technik bereitet das Publikum auf eine Aktion vor und stellt sicher, dass Bewegungen klar und glaubwürdig erscheinen. Bevor eine Figur eine Aktion ausübt, gibt es eine vorbereitende Bewegung, beispielsweise das Zurückziehen des Armes, bevor es zum eigentlichen Wurf eines Gegenstandes durch den Charakter kommt. Die Technik signalisiert dem Publikum auch, um welche Aktion es sich handelt und ahmt dabei Bewegungen des realen Lebens nach. Ohne sie erscheinen Bewegungsabläufe abrupt und mechanisch, durch diesen Aufbau verbessern die AnimatorInnen Klarheit und steigern das Engagement.
Staging
Diese Technik konzentriert sich vor allem auf die klare Darstellung von Ideen, Handlungen und Emotionen für das Publikum. Staging aus der Tradition des Theaters sorgt dafür, dass die Haupthandlung oder -emotion nicht durch Ablenkungen überschattet wird. Die Position der Figuren, der Einsatz von Licht und die Wahl des Blickwinkels tragen zum Staging bei. So kann beispielsweise eine Silhouette eine Bewegung deutlicher machen, während eine Nahaufnahme den Gesichtsausdruck einer Figur hervorheben kann. Eine gute Anwendung von dieser Technik stellt sicher, dass der Kern der Geschichte immer klar ist, um den Fokus des Publikums zu lenken und die emotionale Wirkung zu maximieren.
Straight Ahead Action and Pose-to-Pose
Bei dieser Technik gibt es zwei Ansätze für die Animation von Szenen: „Straight Ahead Action“ und ‚Pose-to-Pose‘.
Bei Straight Ahead Action wird Bild für Bild animiert, was zu einer spontanen und fließenden Bewegung führt. Diese Methode wird häufig für chaotische oder unvorhersehbare Szenen verwendet.
Bei der Pose-to-Pose-Methode hingegen werden zunächst die wichtigsten Posen, also die Key Frames, geplant und die Übergangs Bewegungen eingefügt. Dieser Ansatz bietet mehr Kontrolle und Präzision und ist daher ideal für komplexe oder emotionale Sequenzen.
Die Kombination dieser Methoden ermöglicht es AnimatorInnen, eine Balance zwischen Spontaneität und Struktur in der Charakterentwicklung zu schaffen und so für Klarheit und Energie in der Geschichte zu sorgen.
Follow Through and Overlapping Action
Diese beiden Techniken verhindern, dass die Figuren in der Animation steif wirken, indem sie nachahmen, wie sich verschiedene Teile des Körpers oder Objekts zu unterschiedlichen Zeiten bewegen. Wenn eine Figur beispielsweisel aufhört zu laufen, bewegen sich ihre Haare oder ihre Kleidung für eine kurze Zeit weiter. Ähnlich zu dieser Technik, spiegeln überlappende Aktionen wider, wie sich verschiedene Körperteile unabhängig voneinander bewegen können. Die beiden Techniken vermitteln ein Gefühl von Schwere/Körpergewicht, Flüssigkeit und Realismus, was die Glaubwürdigkeit der animierten Figuren erhöht.
Slow In and Slow Out
Bewegungen beginnen oder enden nicht abrupt in der Realität. „Slow In and Slow Out“ ahmt diese natürliche Beschleunigung und Verlangsamung nach und schafft so sanfte Übergänge zwischen verschiedenen Aktionen. Durch das Hinzufügen weiterer Frames am Anfang und am Ende einer Bewegung lassen AnimatorInnen die Bewegungen flüssiger und organischer wirken. Wenn eine Figur beispielsweise winkt, verlangsamt sich ihre Hand, bevor sie ganz zum Stillstand kommt. Dieses Prinzip hebt auch wichtige Posen hervor und lenkt die Aufmerksamkeit des Publikums auf Schlüsselmomente in einer Szene.
Arcs
Die meisten natürlichen Bewegungen folgen einer geschwungenen Linie und keiner geraden. Das Prinzip der Arcs sorgt dafür, dass Gesten, Schritte und andere Aktionen flüssig und lebendig wirken. Der Armschwung eines Charakters oder die Flugbahn eines Balls bei einem Wurf folgen aus diesem Grund einem Bogen. Geradlinige Bewegungen können sich mechanisch und unnatürlich anfühlen, während Arcs dafür sorgen, Realismus zu zeigen.
Secondary Action
Diese Technik beinhaltet kleinere, unterstützende Bewegungen, die die Haupthandlung ergänzen. Dadurch wird den Aktionen mehr Tiefe und Persönlichkeit verliehen. Eine Figur, die geht, kann zum Beispiel ihre Arme schwingen oder pfeifen, um ihre Stimmung zu unterstreichen. Sekundäre Handlungen dürfen allerdings die Hauptbewegung nicht überschatten, sie dienen nur zur Verstärkung. Wenn sie wirkungsvoll eingesetzt werden, wirken die Szenen vielschichtiger und fesseln dadurch das Publikum mehr an die erzählte Geschichte.
Timing
Timing bestimmt die Geschwindigkeit und den Rhythmus einer Animation. Die Anzahl der Bilder, die für eine Aktion verwendet werden, beeinflusst, wie sie wahrgenommen wird. Weniger Bilder erzeugen schnellere Bewegungen,im Umkehrschluss verlangsamen mehr Bilder das Geschehen. Die Technik zeigt ebenso Charaktereigenschaften und Emotionen der Figuren. Eine träge Bewegung kann Faulheit oder Traurigkeit suggerieren, während schnelle Aktionen Energie oder Aufregung signalisieren.
Exaggeration
Diese Technik hebt Gefühle oder Handlungen hervor, um sie lebendiger und einprägsamer zu machen und sorgt für mehr Dynamik. Das Prinzip verzerrt die Realität nicht, sondern hebt ihr Wesen hervor. Eine verängstigte Figur kann beispielsweise ihre Augen übertrieben weit aufreißen oder einen dramatischen Sprung nach hinten machen, um ihre Angst greifbarer zu machen. Mit dieser Technik können auch in einfachen Formen Handlungen und Emotionen deutlich werden.
Solid Drawing
Diese Technik bezieht sich auf die technische Fähigkeit, Figuren und Objekte zu schaffen, die dreidimensional wirken. Dazu gehört das Verständnis von Gewicht, Anatomie und Gleichgewicht. Dabei muss berücksichtigt werden, wie die Figuren aus allen Blickwinkeln aussehen und sichergestellt werden, dass ihre Formen in der Bewegung konsistent bleiben. Solid Drawing vermeidet flache Erscheinungen von Figuren und sorgt so für ein Gefühl von körperlicher Präsenz.
Appeal
Diese Technik sorgt dafür, dass Figuren und Szenen das Publikum fesseln. Figuren erscheinen dadurch nicht zwingend niedlich oder sympathisch, auch Bösewichte können attraktiv wirken, wenn ihr Design und ihre Persönlichkeit fesselnd sind. Ein guter Appeal zieht die ZuschauerInnen in seinen Bann und hält so die Aufmerksamkeit aufrecht, sei es durch charmante Charaktereigenschaften, dynamische Designs oder überzeugende Handlungen.
Fazit
Zusammenfassend bieten die 12 Prinzipien der Animation einen Rahmen, um Bewegungen und Emotionen zu erzeugen, die authentisch und fesselnd wirken. Sie sorgen dafür, dass die Figuren beim Publikum gut ankommen und nachvollziehbar sind. Durch die Beherrschung dieser Techniken erwecken AnimatorInnen Zeichnungen zum Leben und schaffen Geschichten in visueller Form, die auch emotional fesselnd sind.
Thomas, Frank, Johnston, Ollie. The Illusion of Life: Disney Animation. New York: Disney Editions, 1981, S. 46–68.