Das Buch „Anbieten ohne Anbiedern – Selbstmarketing für Kreative“ von Alina Gause möchte ich allen meinen Studienkolleg*innen ans Herz legen. Schon das Vorwort hat mich gefesselt. Es gehört unbedingt auf die Leseliste von Studierenden, besonders, wenn sie kurz vorm Abschluss stehen. Das Buch machte mir bewusst, was mich wirklich zurückhält mich selbst sichtbar zu machen und warum ich nach kurzen Motivationsschüben mich immer wieder zurückziehe. Wer weiß – vielleicht hilft es mir bzw. uns sogar aus dieser Spirale raus.
Für Künstler*innen ist es nicht einfach sich mit einer selbstführsorglichen, strategischen und langfristig durchdachten Haltung zu identifizieren. Das liegt laut Gause daran, dass kreative Menschen lieber aus einem Gefühl heraus und spontan handeln. Als zweiten Grund nennt sie die überdurchschnittlich hohe Motivation, die dazu führen kann, dass der Überblick verloren wird. Zusätzlich durchlaufen Künstler*innen ihre Ausbildungszeit oft im passiven Modus. Schon beim Aufnahmeverfahren wird das Individuum unter vielen ausgewählt, quasi entdeckt und im Anschluss gefördert. Es dreht sich die ganze Ausbildung um die künstlerischen Fähigkeiten, nicht aber um die Selbstvermarktung. Das Studium kann, ohne für sich zu werben, abgeschlossen werden. Laut der Autorin ist es kein guter Weg auf das Entdeckt werden zu warten. Spätestens nach dem Abschluss wird klar: Wer entdeckt werden will und sich passiv verhält, wird sich am Arbeitsmarkt schwertun.1
„Leider wird jungen Talenten manchmal vorgegaukelt, dass es wirksam ist: ‚Ich sah ihn und spürte gleich, dass er das gewisse Etwas hat.‘ ‚Mir fiel zufällig ihr Demo in die Hände und ich rief sofort das Management an.‘ ‚Sie wollte nur ihre Freundin zu dem Casting begleiten – am Ende bekam sie dann die Rolle.‘ ‚Er hat das auf YouTube hochgeladen und dann ging es viral!‘ Geschichten wie diese werden erzählt und medial verbreitet, weil wir Geschichten lieben.“ 2
Gause zufolge sind besonders kreative Menschen sehr empfänglich für Geschichten und sie passen zur Sehnsucht endlich entdeckt zu werden. Ziel ist es, als kreative Person, die eigene Geschichte mit der Welt zu teilen und dem eigenen Marketing selbstbestimmt entgegenzutreten. Als ersten Schritt in Richtung eigener Haltung gilt daher zu klären, ob man in diesem passiven Modus ist.3
Das Konzept der Heldenreise als Methode
Das Thema Selbstmarketing kann mühsam sein und es gibt unzählige Gründe es nicht anzugehen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch mindestens genauso viele Gründe, die dafürsprechen, Selbstmarketing in die Hand zu nehmen. Gründe die uns zurückhalten sind laut der Autorin oft tiefgreifend und stärker als die Gründe, die unsere Motivation steigern. In ihr Coaching arbeitet Gause gerne mit dem Konzept der Heldenreise. (zitiert Campbell 1994 und Vogler 1998) Drehbuchautor*innen ist dieses Konzept bestimmt ein Begriff. Das Schema der Heldenreise beschreibt ein Konstrukt, dass so gut wie jeder Geschichte zugrunde liegt. Die Held*innen verlassen, einem Ruf folgend, ihre bekannte Welt und machen sich auf ins Unbekannte. Erste Widerstände werden überwunden, bis es schließlich zur Prüfung kommt. Durch die Prüfung erlangen die Held*innen Zugriff auf ihr Elixier. Das Elixier muss die Rückkehr nach Hause unversehrt bleiben. Am Ende der Geschichte wird das Neue mit dem Alten in Verbindung gebracht. So entstehen Meister*innen zweier Welten.4
Für Kunstschaffende ist es ein Aufbruch ins Unbekannte, sich mit Selbstmarketing zu befassen. Daher lässt sich dieser Prozess gut mit der Heldenreise vergleichen. Der Ruf könnte durch Unzufriedenheit, ausbleibenden Aufträgen oder der Erkenntnis kommen, dass Selbstmarketing notwendig ist, um an Sichtbarkeit zu gelangen. Auf diese Rufe des Marktes folgen Vermeidungszirkel: „Zuerst einmal üben und die eigenen Fähigkeiten verbessern, dann widme ich mich dem Selbstmarketing.“ Das Individuum befindet sich vor der „ersten Überwindung“. Hier treffen Mentor*innen auf den Weg des auf die Reise gehenden Individuum. Laut Gause können das Freund*innen, Partner*innen, Dozent*innen oder Coaches sein. Mentor*innen wollen das Individuum dazu bewegen sich selbstbestimmt zu präsentieren. Zu diesem Zeitpunkt befindet man sich am Beispiel der Heldenreise am Weg zur Prüfung. Der unangenehmste Teil liegt also vor uns. Mentor*innen sind nun gefordert dem Individuum eine realistische Darstellung des Bevorstehenden zu liefern und es dazu zu motivieren den Weg trotzdem weiterzugehen. Gause fragt an dieser Stelle gerne nach dem Elixier der Personen. Ein bisschen mehr Aufträge zu bekommen, den eigenen Namen etwas bekannter zu machen oder mehr Geld zu verdienen, sind laut Gause keine Voraussetzungen, die einem nachhaltig weiterhelfen auf der Heldenreise nicht umzukehren. Die Person ist noch nicht in der Verfassung sich mit dem Ungeheuer anzulegen. Das Ungeheuer könnte beispielsweise schlechtes Feedback. Das eigentliche Ziel muss so stark sein, dass man Konfrontation mit den eigenen Schwächen, Ängsten und Scham standhält. Ohne ein starkes Ziel wird das Bedürfnis nach Rückzug schnell laut und die bekannte Welt siegt. Um den Ruf folgen zu können ist also wichtig, das eigene Ziel klar vor Augen zu haben.5
1 vgl. Gause 2021, S.13f
2 Gause 2021, S.14
3 vgl. Gause 2021, S.14
4 vgl. Gause 2021, S.15
5 vgl. Gause 2021, S.15ff
Lieske, Alina. Anbieten Ohne Anbiedern – Selbstmarketing Für Kreative: Ein Psychologischer Ratgeber. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin / Heidelberg, 2021.