#36 – Saul Bass – der Vater des Title Designs?

“Seen from our perspective in the twenty-first century, Saul Bass seems to define an era. (…) Bass’s poster designs and his credit sequences for Hollywood feature films were extremely innovative in terms of their formal design, use of iconography, and narrative content. His graphic work resembled no one else’s in Hollywood, and his film credits changed forever how audiences looked at the opening minutes of a film. (…) Bass’s designs influenced not only other studio publicity designers and filmmakers but also a whole generation of young designers that he personally trained in his studio” (Horak 2014, S.3).

Auch wenn oftmals, laut Deborah Allison, Publikationen wie Zeitungen und Magazine oder Websiten fälschlicherweise in ihren historischen Auseinandersetzungen mit Titelsequenzen nur auf eine Handvoll von Größen im Titeldesign stützen, wie zum Beispiel Saul Bass, Maurice Binder oder Kyle Cooper, haben diese Designer auch ein Berechtigungsdasein. Man darf nur nicht in der Beschäftigung mit der Geschichte des Titeldesigns alle anderen Facetten ignorieren (vgl. Allison 2021, S.18). Deshalb beschäftigt sich dieser Blogbeitrag mit einer dieser Größen im Auteur-Designs von Titelsequenzen: Saul Bass. 

Saul Bass ist nicht nur eine Größe in der Welt der Titelsequenzen, sondern auch in den Welten des Grafik Designs und der Werbung. Auch als Filmemacher, gemeinsam mit seiner Frau Elaine Bass, war er tätig und wurde mit einem Academy Award for Documentary Short Subject für den Film Why Man Creates (1968) im Jahr 1968 geehrt. Im Buch Saul Bass. Anatomy of Film Design, betitelt Jan-Christopher Horak Saul Bass als Generalisten in einer Welt voller Spezialisten. Außerdem vermerkt Horak, dass Bass in gewisser Weise in der Filmindustrie ein Außenseiter war, da er eigentlich ein Grafikdesigner war, welcher sich seinen Jobtitel selbst definiert hat in der sehr streng regulierten Filmbranche. Auch seine hohen ästhetischen Ansprüche für die Integrierung von Kunst stand oftmals im Kontrast mit der Einstellung von der Filmindustrie in Hollywood. Außerdem half sein Zusammenschluss mit gleich gesinnten Filmemachern, welche sich von der Hollywood-Filmindustrie distanzierten, nichts zu seinem Image in Hollywood (vgl. Horak 2014, S.2f). 

Das Leben von Saul Bass

1920 wurde Saul Bass als zweites Kind in eine jüdisch-russischen Auswandererfamilie hineingeboren. Beruflich war sein Pelzhändler, während seine Mutter sich um den Haushalt kümmerte. Bereits zu Schulzeiten, an der James Monroe High School, engagierte Bass beispielsweise als Redakteur für das Jahrbuch und The Monroe Doctrine, eine Literatur- und Kunstpublikation. Ebenfalls gewann er zwei Preise gestiftet von der School Art League, die ihm später ein sechsmonatiges Stipendium anbot. Danach war er in verschiedenen Designbüros in New York eingestellt, bis er eine Stelle bei Blaine Thompson annahm. Während der Zeit bei Blaine Thompson, traf er auf seinen Mentor – Gyorgy Kepes. Der ungarische Künstler und Designer veränderte Basses Verständnis von Design. Vor allem wurde seine Begeisterung für die Moderne und das Bauhaus durch dieses Aufeinandertreffen verstärkt (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.1-11).

1946 zog Bass von New York nach Los Angeles. Grund dafür war, das Stellenangebot als Art Director/Pitchman für das Buchanan and Company in Hollywood, welches er nicht abschlagen konnte. Dort angekommen, bekam er unter anderem mit in welcher katastrophalen Verfassung die Filmvermarktung sich zu dieser Zeit befand. Durch den Wettbewerb mit dem Fernsehen eröffnete Designern wie Bass die Möglichkeit in die Filmvermarktung einzugreifen. Saul Bass war der Meinung, dass durch eine kreativere Vermarktung auch ein kreativeres Filmemachen ermöglicht werden könnte. Charlie Chaplins Monsiuer Verdoux (1947), war Basses erster eigenständiger Arbeitsauftrag in der Filmindustrie. Der Film wurde aber nie veröffentlicht. Danach arbeitete er noch an mehreren Filmprojekten, bis er 1950 sich wieder dem Grafik Design widmete und eine Stelle bei Foote, Cone & Belding annahm. Zwei Jahre später gründete er seine eigene Firma Saul Bass & Associates. Seine Frau Elaine lernte er später kennen, als sie bei ihm als Assistentin anfing (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.11-23).

Otto Premingers Film Carmen Jones (1954) war Saul Bass Durchbruch in der Welt des Titeldesigns. Eigentlich wurde er von Preminger engagiert ein Poster für den Film zu gestalten, doch Otto Preminger gefiel es so sehr, dass er ihm darauf anbot, gleich noch eine Titelsequenz für die Produktion zu kreieren (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.118). Preminger war von Bass überzeugt und beauftragt Bass für seinen nächsten Film The Man with the Golden Arm (1955) die Titelsequenz und die Werbekampagne zu gestalten. Das Resultat: eine abstrahierte Grafik eines Armes für die Buchadaption über Drogenabhängigkeit. Aufgrund des Fehlens eines dazugehörigen Körpers transformiert sich der Arm zu etwas anderem – Losgelöstem, was auch sinnbildlich für die Verwandlung des Hauptcharakters, welche durch seine Drogensucht losgetreten wird, stehen kann. Beim Publikum löste die resultierende Titelsequenz Angst aus. Bass kommentierte seine Entscheidung mit folgenden Worten: 

„The intent of this opening was to create a mood – spare, gaunt, with a driving intensity (…) [that conveyed] the distortion and jaggedness, the disconnectedness and disjointedness of the addict’s life” (Bass, Kirkham 2011, S.126). 

Für diese Zeit war eine solche Werbekampagne eines Filmes revolutionär. Die Reduzierung auf den zentralgesetzten schwarzen Arm eingerahmt von Balken und umgeben vom Titel war eine Neuheit (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.126ff).

Ab 1958 verkaufte Bass den Produktionsfirmen nicht nur Titelsequenzen, sondern ein Rundum-Paket bestehend aus einem Markenzeichen, einem TV Trailer, einem Leinwand Trailer, Poster in vier verschiedenen Größen, bis zu sechs Werbeschriften, bis zu 20 Zeitungsannoncen und ein Cover. Trotzdem war es nicht garantiert, dass Produktionsfirmen am Ende voll all seine Entwürfe Gebrauch machten (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.119).

Für Bass strahlten die Vorspanne, die es davor gab, Langeweile aus. Deshalb, glaubte er, wurden sie größtenteils vom Publikum ignoriert und das Publikum sah in ihnen eine gute Möglichkeit, um Popcorn zu holen. Saul Basses Devise war es, dass ein Film wie eine Symphonie sei und deswegen brauche es passend dazu eine stimmungsmachende Ouvertüre. Dies sollte durch die Integrierung von Mehrdeutigkeit, Tiefe, sowie üppige Bilder erreicht werden. Sein Standpunkt dazu war: „My position was that the film begins with the first frame and that the film should be doing a job at that point” (Bass, Kirkham 2011, S.118). Im Zentrum seines Schaffens war es eine Atmosphäre, eine Stimmung, einen Standpunkt und eine allgemeine Metapher über den Inhalt des Filmes zu bilden. Resultierend daraus, ist die Titelsequenz das Medium, welches dem Publikum dazu dient in die Welt des Filmes einzutauchen (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.120).

Wie zum Beispiel, bei der bereits erwähnte Anfangssequenz für The Man with the Golden Arm (1955) sind seine ersten Vorspänne von graphisch reduzierten Symbolen geprägt. Doch seine Arbeit besteht aus viel mehr als diese Einfachheit und Reduktion. Er verband komplexe Ideen und Hinweise in einfache Formen und leitete damit den Weg zu einer Verdichtung der Bildsprache ein (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.119).  

Ebenfalls ragte sein Schaffensprozess weit über die exklusive Arbeit mit Storyboards und Typografie hinaus. In seinen Produktionen übernahm er die Rollen des Regisseurs, des Produzenten und des Editors. Teils kann das darauf zurückgeführt werden, dass er oftmals nach Schluss der Dreharbeiten einer Filmproduktion dazu gestoßen ist (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.119).

Mit der Anerkennung für seine Arbeit an verschiedensten Titelsequenzen wollten zunehmend Regisseure mit ihm arbeiten. Folgend daraus boten viele Regisseure und Regisseurinnen ihm an, die Regie bei spezifischen Sequenzen innerhalb des Spielfilmes zu übernehmen. Auf einer visuellen Basis waren die meisten dieser Szenen von Spannung und Drama geprägt. Beispiele dazu wären die Duschszene in Psycho (1960), die Rennszene in Grand Prix (1966) oder der Eröffnungstanz in West Side Story (1961). Durch sein Wirken entstand die Bezeichnung des visual consultant (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.119).

In seinen späteren Vorspännen experimentierte er mit neuen Herangehensweisen an Titelsequenzen. Zum einen machte er Nutzen davon, dass ein Film auch als Prolog fungieren kann und gleichzeitig die Vorgeschichte der Charaktere darstellen kann. Von dieser Darstellungsmöglichkeit verwendete er beispielsweise beim Vorspann zu The Big Country (1958). Betrachter oder Betrachterinnen des Films können eine Postkutsche verfolgen, wie sie den amerikanischen Westen durchquert (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.120).

Eine andere Methode, welche Bass aufgreift, ist die Verfremdung von Gegenständen oder Lebewesen, um die Handlung des Filmes in der Anfangssequenz in ein neues Licht zu tauchen. Sein Ziel dabei ist es, ein verstärktes Bewusstsein und größere Erwartungen beim Publikum auszulösen, wie es die Katze in Walk on the Wild Side (1962) macht (vgl. Bass, Kirkham 2011, S.120).

Neben seinem Schaffen produzierte und führte er in Zusammenarbeit mit seiner Frau Elaine bei mehreren Kurzfilmen Regie. Wie bereits am Anfang erwähnt, erhielten sie unteranderem einen Oscar für den Film Why Man Creates (1968). 1974 entstand sein erster und einziger Sci-Fi Spielfilm Phase IV (1974) (vgl. Horak 2014, S.2, S.31).

Quellenverzeichnis

Allison, Deborah: Film Title Sequences: A Critical Anthology. London: Pilea Publications 2021

Bass, Jennifer; Kirkham, Pat : Saul Bass – A Life in Film and Design. London : Laurence King Publishing 2011

Horak, Jan-Christopher: Saul Bass. Anatomy of Film Design. Lexington: The University Press of Kentucky 2014

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