Anfang Oktober besuchte ich die Ausstellung „IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG“ in Wien. Bei einem Videodreh bin ich mit Lisa Hopf auf mein Masterarbeitsthema zu sprechen gekommen. Ich wurde von Lisa auf die Ausstellung „Raum für Erregung“ von Kira Schinko und Letitia Lehner aufmerksam gemacht. Kira Schinko hielt in unserem Bachelorstudiengang Informationsdesign eine Vorlesung, wo wir über den Umgang mit Kund*innen sprachen. Diese Lehrveranstaltung war sehr spannend für mich und ich wurde hellhörig als Lisa Hopf ihren Namen im Zusammenhang mit meinem Thema aussprach. Noch am selben Tag informierte ich mich über diese Ausstellung und fuhr bei der nächsten Gelegenheit nach Wien, um diese zu besuchen.
Die Ausstellung „IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG“ fand vom 19.09.2024-10.11.2024 im designforum Wien, Museumsplatz 1 Hof 7 statt. Montag bis Freitag war die Ausstellung von 10:00 bis 18:00 geöffnet und am Wochenende von 14:00 bis 18:00.1
Johanna Wicht und Christine Poplavski setzen sich mit „IN*VISIBLE“ für Gleichberechtigung in der Kreativbranche ein. Sie beschäftigen sich mit der Frage, ob in der Designbranche Gendergerechtigkeit gelebt wird. Die Ausstellung kritisiert die progressive Positionierung der Kreativbranche. Sie wird als Vorreiter gesehen, wenn es um Veränderungen in der Arbeitswelt geht. Mit der Ausstellung beweisen Wicht und Poplavski, dass dies nicht Realität entspricht. Den beiden Frauen geht es darum diese unsichtbaren, genderspezifischen Probleme mit ihren Exponaten aufzuzeigen. Sichtbarkeit ist der erste Schritt in Richtung Besserung, denn unsichtbare Missstände können nicht behoben werden. Christine Poplavski und Johanna Wicht studierten gemeinsam im Master an der Fachhochschule Salzburg und teilen das Interesse an feministischen Inhalten. Im Jahre 2023 wurde „IN*VISIBLE“ vom Art Directors Club Germany ausgezeichnet. Die Ausstellung erhielt einen bronzenen und einen goldenen Nagel.2
„RAUM FÜR ERREGUNG“ beschäftigt sich mit dem Fakt, dass die Anzahl an Frauen in der Kreativbranche immer mehr zunimmt. Diese positiv erscheinende Entwicklung bring Veränderungen mit sich, die zu einer Entwertung dieser Branche führen könnte. Kira Schinko und Letitia Lehner haben über 15 Jahre in der Kreativbranche gearbeitet. Sie waren in Angestelltenverhältnissen und selbstständig tätig. Die Ausstellung bietet Raum für Reflexion über den Gender Pay Gap, die mögliche Entwertung der Branche, mangelnde Vielfalt und überholte Führungsstile.3
In der Ausstellung „IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG – ZUR GLEICHSTELLUNG IM DESIGN“ wurde gezeigt, dass der Lohn in Berufsfeldern sinkt, sobald Frauen in ihn einsteigen. „Eine Langzeitstudie der US-Census-Daten zeigt: Sobald Frauen in ehemals männlich dominierte Berufe eintreten, sinken Gehälter und Prestige drastisch – um bis zu 57 %.“ 4 Dieses beschriebene Phänomen geht auch in die andere Richtung. Demnach steigt der Gehalt, wenn in weiblich dominierte Berufsfelder Männer einsteigen. Als Beispiel nannte die Ausstellung die IT-Branche. Diese wurde in ihren Anfängen von Frauen dominiert. Programmieren galt als einfache Aufgabe und erst mit dem Einstieg der Männer in diese Branche, stieg auch der Gehalt und das Ansehen rapide an. In den USA sind aktuell 26 der 30 Jobs, mit dem höchsten Gehalt, von Männern dominiert. 23 der 30 Jobs mit der schlechtesten Bezahlung sind im Gegensatz dazu zum Großteil von Frauen besetzt. Den Daten zufolge handelt es sich daher um ein strukturelles Problem. Die Arbeit von Frauen wird geringer entlohnt und geschätzt. Selbst wenn Frauen in den gleichen Positionen und Berufsfeldern arbeiten, die von Männern dominiert werden, liegt ihr Gehalt systematisch unter dem der Männer. Laut der Ausstellung verdienen Frauen um 34 % weniger in der Kreativbranche und um 13 % weniger in der Medienbranche.5
Sauerei
Das Exponat „Sauerei“ zweigt ein halb volles bzw. halb leeres Gefäß, in welchem ein Sparschwein schwimmt. Dahinter steht in schwarzen Buchstaben „Männer: € 50.000“ und darunter steht „Frauen: € 25.000. Die Installation soll zeigen, dass Männer, die selbstständig als Designer arbeiten, im Jahr 2019 durchschnittlich 50 000 € an Gesamteinkünften verdienten, Frauen hingegen nur 25 000 €.6
Zahlen und Fakten
Das Exponat „Zahlen und Fakten“ zeigt den Jahresumsatz von Freelancer*innen (Ein-Personen-Unternehmen EPU) im Jahr 2022. Die Grafik wurde in Frauen und Männer unterteilt. Die Hälfte der weiblichen Freelancerinnen liegen mit ihrem Umsatz unter 50 000 €. Bei Männern sind es nur 28 %. Mit 46 %, fast der Hälfte der Frauen haben 1000-1999 € monatlich zur Verfügung. Die Armutsgefährdungsschwelle wird in Österreich aktuell mit 1572 € pro Monat in einem 1-Personen-Haushalt angegeben.7
Männer sind häufiger in der höchsten Gehaltsklasse, Frauen in der niedrigsten – das gilt sowohl für Dienstnehmer*innen als auch für Selbstständige. 8
Laut designaustria sind in der Kreativbranche Frauen häufiger in einem Angestellten Verhältnis (25 % der Frauen, 15 % der Männer). Trotzdem ist der Anteil an Frauen in Führungspositionen mit 11 % Frauen im Gegensatz zu 32 % Männern erheblich geringer.9
Die Ausstellung gab mir einen erschreckenden Einblick in die Thematik. Meine Motivation über Frauen in der Selbstständigkeit zu schreiben, ist durch diese Ausstellung maßgeblich gesteigert geworden.
1 (vgl. designaustria 2024)
2 (vgl. designaustria 2024)
3 (vgl. designaustria 2024)
4 (IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG 2024)
5 (vgl. IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG 2024)
6 (vgl. IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG 2024)
7 (vgl. IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG 2024)
8 (IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG 2024)
9 (vgl. IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG 2024)
Literaturverzeichnis
designaustria (2024): IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG. ZUR GLEICHSTELLUNG IM DESIGN. In: designaustria, https://www.designaustria.at/veranstaltung/invisible-x-raum-der-erregung/ (zuletzt aufgerufen am 11.11.2024)
IN*VISIBLE x RAUM FÜR ERREGUNG. ZUR GLEICHSTELLUNG IM DESIGN. (2024) Kuratiert von Wicht, Johanna u.a. designforum Wien, Wien, 19.09.2024-10.11.2024