Die Prinzipien der Animation

Die 12 Prinzipien der Animation wurde das erste Mal von Frank Thomas und Ollie Johnston in ihrem Buch The Illusion Of Life Disney Animation zusammengefasst. Entstanden sind die Prinzipien bei der Arbeit bei Disney. Die Autoren beschreiben den Entstehungsprozess der Prinzipien folgend:

The animators continued to search for better methods of relating drawings to each other and had found a few ways that seemed to produce a predictable result. They could not expect success every time, but these special techniques of drawing a character in motion did offer some security. As each of these processes acquired a name, it was analyzed and perfected and talked about, and when new artists joined the staff they were taught these practices as if they were the rules of the trade.

Thomas, Johnston 1995, S.46

Die 12 Prinzipen der Animation lauten wie folgt:

  1. Squash and Stretch
  2. Anticipation
  3. Staging
  4. Straight Ahead Action and Pose to Pose
  5. Follow Through and Overlapping Action
  6. Slow In and Slow Out
  7. Arcs
  8. Secondary Action
  9. Timing
  10. Exaggeration
  11. Solid Drawing
  12. Appeal

Squash and Stretch

Für Thomas und Johnston ist das Prinzip Squash und Stretch eines der wichtigsten Entdeckungen. Animiert man eine Form von einem Punkt zu einem anderen, wirkt die Bewegung steif. Diese Steifheit in der Bewegung sieht man in der Realität nur bei starren Objekten, wie Stühlen, Geschirr oder Pfannen. Alle anderen Formen und Figuren wie wir Menschen zum Beispiel, haben Bewegungen innerhalb des Bewegungsablaufes. Beispielsweise wird das beim Gesicht erkennbar. Egal ob Kauen, Lächeln, Sprechen oder beim Wechsel der Mimik unsere Gesichtspartien verändern sich. Ohne diese Veränderungen würden wir einen anderen Menschen als leblos ansehen (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.46-50).

Kurzum gesagt: Durch die Anwendung von squash and stretch kann man den Eindruck erschaffen, dass Objekte oder Figuren Gewicht hätten und/oder würden bei Bewegung nachgeben. Daraus resultiert, dass die Animation wie beispielsweise ein hüpfender Ball realistischer aussieht, wenn er beim Aufprall auf dem Boden platter und breiter wird (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.46-50).

Ein wichtiger Tipp, denn Thomas und Johnston geben ist, dass bei der Anwendung dieser Methode darauf geachtet werden sollte, dass das Volumen bei beim Stauchen oder Strecken immer gleich bleibt. Ansonsten kann die Animation schnell als aufgebläht oder knollenförmig wahrgenommen werden (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.46-50).

Die Animationen wirken durch Squash and Stretch nicht nur lebendiger, sondern durch die Integrierung dieses Prinzip wird mehr Wert auf die Schnelligkeit, die Dynamik, das Gewicht und die Masse gelegt. Die Stärke von Streckung oder Stauchung sagt über das Objekt aus wie weich oder hart es ist. Auch kann es zur Übertreibung von Bewegungen genutzt werden (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.46-50).

Anticipation

Das Publikum wird innerhalb eines Films von einem Ereignis in das nächste geführt. Damit das Publikum die Handlung versteht gibt es eine geplante Abfolge. Um diese Ereignisse realistischer für das Publikum zu gestalten, kommt Anticipation ins Spiel. Anticipation hilft einem die Zuseher:innen auf eine bevorstehende Handlung vorzubereiten, in dem man eine kleine Aktion (oder eine spezifische Bewegung) der größeren bzw. der eigentlichen Aktion voranstellt. Auch ist Anticipation ein Indikator dafür wie stark eine Bewegung sein wird. Ein Beispiel dazu ist, wenn ein Fußballer einen Ball ins Tor schießen möchte, schießt er nicht gleich drauf los, sondern bewegt seine Arme und holt mit dem Bein aus. Dieser vorangestellte Bewegungsablauf teilt den Zuschauer:innen mit, dass der Fußballspieler gleich den Ball wegschießen wird (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.50ff).

Diese vorangestellte Aktion muss nicht immer eine ausholende Bewegung sein, manchmal reicht schon ein Verziehen der Mimik aus, um das Publikum auf die folgende Bewegung vorzubereiten. Auch kann Anticipation mehrstufig aufgebaut sein (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.50ff).

Johnston und Thomas führen auch an, dass wenn man sich mit dem „surprise-gag“ beschäftigen möchte, braucht es Anticipation auch. Aber in diesem Fall die Anticipation von etwas anderem als es dann wird, ansonsten geht der Überraschungsmoment verloren (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.50ff).

Staging

Staging findet man nicht nur in der Animation, sondern auch in anderen Bereichen wie dem Theater. Trotzdem ist die Bedeutung von Staging überall dieselbe: Es handelt sich dabei um die zielgerechte Präsentation einer Idee, sodass sie vollständig und unverkennbar klar für das Publikum ist. Deshalb ist es wichtig sich auf die wichtigsten Details zu beschränken, damit unnötige Details nicht von der Handlung ablenken. Hilfsmittel dafür sind Licht, Bildausschnitt und Komposition (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.52ff).

An action is staged so that it is understood, a personality so that it is recognizable, an expression so that it can be seen, a mood so that it will affect the audience. Bach is communicating to the fullest extent with the viewers when it is properly staged.

Thomas, Johnston 1995, S.52

Straight Ahead Action and Pose to Pose

Die Straight Ahead Action und Pose to Pose sind die zwei Hauptansätze für Animation. Als Straight Ahead Action wird der workflow bezeichnet, bei dem der/die Animator:in von Start/ ersten Zeichnung der Szene linear bis zum Ende hinarbeitet. An Anfang kennt die Person nur die grobe Struktur der enthaltenen Handlung, hat aber noch keinen Plan wie die Handlung umgesetzt werden kann. Bei jedem Schritt kommt eine neue Idee hinzu bis zum Ende der Szene. Straight Ahead Animation ist am besten geeignet für unvorhersehbare Bewegungen, wie beispielsweise Feuer. Straight Ahead Animationen funktioniert selten, wenn im Layout eine starke Perspektive oder ein Hintergrund vorhanden ist, der angepasst werden muss (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.55ff).

Im Gegenteil zur Straight Ahead Action Methode wird beim Ansatz Pose to Pose die Handlung vorab genauestens geplant. Es wird zuerst der Start und das Ende jeder Handlung definiert/ gezeichnet. In einem weiteren Schritt, werden die Zwischenschritte hinzugefügt. End und Startposen werden als Keys bezeichnet. Extremes sind die Posen, bei denen die Figur Extreme im Bewegungsablauf einnimmt und Breakdowns sind Zwischenschritte, die die einzelnen Posen miteinander verbindet. Pose to Pose ist generell besser für action-lastige/ voraussehbare Bewegungsabläufe, da es einem am meisten Kontrolle beim Bewegungsablauf überlässt. Dadurch wird vermieden, dass die Figur unabsichtlich am falschen Ort landet oder kleiner/größer wird. Auch ist Pose to Pose effizienter, da man nicht den gesamten Bewegungsablauf rückgängig machen muss, wenn eine Pose falsch ist, sondern nur eine der Zwischenposen (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.55ff).


Follow Through and Overlapping Action

Follow Through und Overlapping Action ist eine Methode, bei der Teile einer Figur – wie die Methode bereits absagt – nachschwingen oder überlappen. Diese Elemente sind sozusagen Subbewegungen der Hauptbewegung und können noch nach dem Innehalten der Hauptbewegung nachschwingen. Es entsteht die Illusion, dass die Bewegungen der Figuren den Gesetzen der Physik gehorchen würden (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.58-61).

Johnston und Thomas haben 5 Punkte der wichtigsten Punkte für Follow Through und Overlapping Action angeführt:

  1. Anhängsel/ Zusätze bewegen sich noch, auch wenn der Körper schon zum Stillstand gekommen ist
  2. Ein Körper bewegt sich als ganzes nicht simultan, sondern er streckt sich, holt auf, verdreht sich, biegt sich und schwächte andere Bewegungen ab
  3. Materialien wie lockere Hautpartien bewegen sich langsamer wie beispielsweise ein Skelett
  4. The Art und Weise, wie eine Aktion vollendet wird, sagt mehr über die Figur aus als die Bewegung selbst. Beispielsweise kann die Bewegung eines Golfschlags ein paar wenige Sekunden dauern, aber die Nachbewegung, verdreht die Figur sich oder ist sie standhaft, kann über dessen Fähigkeiten im Golfen Bände sprechen.
  5. Der „Move hold“ beschreibt die paar Frames in der die Figur still steht, damit das Publikum die erfasste Bewegung verarbeiten kann (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.58-61).

Follow Through and Overlapping Action (Nachschwingen und Überlappen): Elemente, die in Bewegung sind, sollten von der Hauptbewegung getrennt schwingen oder überlappen. Ins Details gehend, bezeichnet man als Follow Through die Bewegung welche nach dem Ende der Hauptbewegung geschieht. Overlapping Action dagegen beschäftigt sich mit dem Versatz der Subbewegung zur Hauptbewegung am Anfang eines Bewegungsablaufes. Ein weiterer Aspekt, der zu Follow Through und Overlapping Action gehört, ist Drag. Drag beschreibt die universelle Verzögerung der Subbewegung (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.58-61).

Genauso wie alle anderen Prinzipien verleiht Follow Through und Overlapping Action Bewegungsabläufen Realismus. Follow Through und Overlapping Action hat auch was gemeinsam mit dem Prinzip Squash und Stretch: Die Stärke von Follow Through und Overlapping Action kann einem ein Verständnis zur Beschaffenheit der Figur geben (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.58-61).

Follow Through und Overlapping Action wird meistens nach der Animation der Hauptbewegung hinzugefügt. Bei Frame by Frame Animation wird diese Subanimation meistens mit der Methode Straight Ahead Action gemacht. Auch hilft Follow Through und Overlapping Action bei der Trennung von einer Animation, in mehrere versetzte Animationen. Das dient dazu, dass die Animation interessanter und realistischer wird (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.58-61).

Slow In and Slow Out

Slow In und Slow Out beschäftigt sich mit dem Timing innerhalb der Animation. Es beschreibt den Beschleunigungsprozess einer Figur (Am Anfang noch langsam kommt die Figur immer mehr in Bewegung, um am Ende wieder abzubremsen, um dann wieder langsam in den Stillstand zu kommen.). Diese Methode lässt Figuren lebendig und dynamisch, statt mechanisch wirken (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.61).

Im Animationsprozess wird das entweder durch die Platzierung der Zwischenposen (umso näher zusammen, umso schneller ist der Teil der Bewegung) bei Frame by Frame Animationen, oder durch Bezierkurven bei Keyframe Animationen erzielt (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.61).

Arcs

Die Methode Arcs lässt sich von Bewegungen, verlaufend in einem Bogen, ableiten. Da das die meisten Bewegungen machen, wirken Animationen, die entlang eines Bogens animiert werden, flüssiger und natürlicher als geradlinige Bewegungen.

Bei der Frame by Frame Animation werden oft Bogen als Hilfslinien aufgezeichnet, um sich an diesen zu orientieren (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.61f).

Secondary Action

Unter Secondary Action versteht man Gesten, welche die Hauptbewegung unterstützen und eine weitere Dimension ihr hinzufügen. Trotzdem sollte man drauf aufpassen, dass die Secondary Action nicht von der eigentlichen Handlung ablenkt. Auch darf die Secondary Action nicht zu unsichtbar sein, damit sie wirklich wahrgenommen wird (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.62f).

Timing

Das Timing gibt vor wie viele Frames innerhalb des Bewegungsablaufs vorzufinden sind. Eine Änderung der Frame Rate beeinflusst das Aussehen und Gefühl der Animation stark (viele Frames = langsam, wenige Frames und weit auseinander = schnell). So kann jedes weitere Frame (eng. in-between) der Bewegung eine neue Bedeutung auferlegen (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.63f).

  • Kein in-between = Die Figur wurde von einer enormen Kraft getroffen. Beinahne wäre der Kopf von dem Aufprall abgerissen worden.
  • 1 in-between = Die Figur wurde von einem Ziegel, einer Pfanne oder einem Nudelholz erwischt.
  • 2 in-between = Die Figur hat eine Muskelverkrampfung oder eine nervöse/ unkontrollierte Reaktion
  • 3 in-between = Die Figur weicht etwas aus, wie z.B. einem Ziegel, einer Pfanne oder einem Nudelholz
  • 4 in-betweens = Die Figur gibt einen nachdrücklichen Befehl, wie Weiter gehen!
  • 5 in-betweens = Die Figur ist bei ihrem Befehl viel freundlicher, wie Komm schon her!
  • 6 in-betweens = Die Figur sieht etwas was ihr Interesse weckt.
  • 7 in-betweens = Die Figur versucht etwas besser sehen zu können.
  • 8 in-betweens = Die Figur sucht etwas.
  • 9 in-betweens = Die Figur schätzt etwas ab – sie bewertet etwas nachdenklich.
  • 10 in-betweens = Die Figur dehnt einen wehtuenden Muskel.

Zeichnet man bei 24fps jeden einzelnen Frame, nennt man das „drawing on ones“, wenn nur jeder zweite gezeichnet wird, bezeichnet man es als „drawing on twos“. Das kann man so weiterführen. „Drawing on twos“ ist in der Animationswelt sehr verbreitet, da es nicht nur Arbeit abnimmt, sondern auch langsame Bewegungen flüssiger wirken lässt. Aber auch bei schnellen Bewegungen hat „drawing on twos“ seine Vorteile. Die Bewegung besitzt dadurch eine lebhaftere Anmutung (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.63f).

Exaggeration

Bei Exaggeration wird jede Bewegung, Pose oder Ausdruck überspitzt dargestellt, um die Wirkung beim Publikum zu steigern. Walt Disney verlangte von seinen Animatoren, dass sie realistischer bei ihren Animationen werden sollten. Das stoß auf Verwirrung, da für Disney Realismus etwas anderes bedeutete als für die Animatoren. Für Disney war die realistischere Darstellung nicht, wie es in der Realität vorkommt, sondern die Überspitzung dieser, damit die Handlung für das Publikum greifbarer und verständlicher werden würde (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.64f).

Schnellere Handlungen müssen extremer dargestellt werden, als langsamere. Das stammt daher, dass unser Auge nicht alle Einzelbilder auffasst und bei schnellen Bewegungen die mittleren Frames auffasst (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.64f).

Solid Drawing

Die Aufgabe dieses Prinzips ist es zu bewerkstelligen, dass Formen aussehen, als wären sie in einem dreidimensionalen Raum. Drei wichtige Parameter dabei sind Volumen, Gewicht und Balance. Animieren wird einfacher, wenn man einen Charakter aus allen Perspektiven zeichnen kann (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.65).

Ein Tipp für das Zeichnen im dreidimensionalen Raum ist es die Figur mittels geometrischen Formen aufzubauen. Auch Perspektivlinien können für das Verständnis der Platzierung im Raum genutzt werden (wird zum Beispiel auch in 3D Programmen verwendet). Überlappende Linien lassen Figuren auch dreidimensionaler wirken. Das sogenannte Twinning (z.b. simultane Bewegung der Arme) sollte bei der Animation auch vermieden werden, weil dadurch Balance und Gewicht verloren gehen (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.65f).

Appeal

Das Prinzip Appeal zielt darauf aus, dass Figuren charismatisch wirken und angenehm zum Anschauen sind. Diese Methode sollte auf jede Figur angewendet werden, egal ob Held, Antagonist, oder Nebencharakter. Auch geht es nicht um die wahrgenommene Schönheit einer Figur, sondern das geweckte Interesse an ihr. Auch wenn Aussehen/ Stil Geschmacksache ist, kann man durch dynamisches Design viel bewirken. Dynamisches Design kann man durch folgende Punkte erreichen:

  1. Verschiedene Grundformen beim Aufbau von Charakteren.
  2. Das Spiel mit Verhältnissen
  3. Einfachheit (Loslösung von Detailverliebtheit beim Charakterdesign) (vgl. Thomas, Johnston 1995, S.66f).

Fazit

Die 12 Prinzipien der Animation gehören zu den Grundlagen in der Disziplin der Animation und sind nicht nur auf Charakteranimation limitiert, sondern verleihen beispielsweise auch der Animation von geometrischen Formen mehr Interesse vom Publikum. Deshalb ist es immer wieder gut, sich die Animationsprinzipien wieder bewusst zu machen.

Quellenverzeichnis

Thomas, Frank; Johnston, Ollie: The Illusion Of Life Disney Animation. New York: Hyperion, 1995.

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