Da wo Realfilm an Grenzen stoßt, kann die Verschmelzung mit Mixed Media Animationen den Horizont erweitern und – wie bereits Federico Avino in seinem vorangestellten Zitat unterstreicht – neue Welten generieren (vgl. Avino 2023). Vor allem durch die Freiheit und große Bandbreite an möglichen Techniken (Stop-Motion, 2D Animation, 3D Animation, Handgezeichnet, etc.) kann sich eine Mixed Media Animation mit dem selben Footage von einer anderen im Stil und somit auch in den vermittelten Gefühlen bei den BetrachterInnen komplett unterscheiden. Deshalb birgt Mixed Media Animation extrem viel Potenzial für alle möglichen Bereiche. Bei gelungenem Einsatz können folgende Punkte erfüllt werden, welche vor allem im kommerziellen Bereich von enormer Bedeutung sind (vgl. promoshin.com 2023):
- Alleinstellungsmerkmal und Wiedererkennungswert
- Erhöht Aufmerksamkeit der Betrachter:innen
- Vereinfacht komplexe Inhalte
Doch wie läuft der Produktion solcher Mixed Media Animationen eigentlich ab?
Animationsprozess (anhand von Harry Sung)
Einen Animationsprozess für die Arbeit mit Mixed Media gibt es per se nicht, da es immer darauf ankommt mit welchen Techniken arbeitet. Trotzdem möchte ich mich mit dem Prozess bzw. dem YouTube Beitrag Harry Sung: Principle of Mixed Media Animation von Harry Sung, initiiert von After hours animation, auseinandersetzen. Dabei geht es mir weniger um den vorgeführten Schritt für Schritt Prozess, sondern um sein Verständnis von Mixed Media Animation und seine Annäherung an seine Mixed Media Animationen. Daraus erhoffe ich mir, eine generelle Herangehensweise an Mixed Media Animationen zu gelangen.
Harry Sungs Definition von Mixed Media Animation
Bei diesem Vortrag fokussiert sich Harry Sung vor allem auf Mixed Media Animation im Zusammenhang mit gedrehtem Realfilm-Material. Das kann man durch seine Definition von Mixed Media Animation herauslesen:
Hier wird offensichtlich, dass er sich stark an Techniken und Manipulationen orientiert, welche klassisch auf dem analogen Papier stattfinden. Dennoch fügt er hinzu, dass die Definition recht simpel gehalten worden ist, weil es ansonsten sehr in die Tiefe gehen würde, da man alleine schon mit verschiedenen Papiersorten das Endresultat erheblich beeinflussen kann. Auch reißt er an, wie viele Komponenten bei der Arbeit mit Mixed Media Animationen diese erheblich verändern können (vgl. Harry Sung 2022, 08:09 – 14:17 min). Ich habe nun versucht verschiedene Komponenten in größere Kategorien zusammenzufügen, welche sich trotzdem gegenseitig beeinflussen:
- Art/ Stilrichtung: In diese Kategorie fallen alle möglichen Arten von Footage hinein. Beispielsweise, ob es sich um Realfilm, 2D-Animation, 3D-Animation, Stop Motion, Handzeichnung oder AI generiert handelt.
- (Animations-)Technik: Hier werden alle Techniken zusammengeführt, welche für die bestimmte Art/ Stilrichtung relevant sind. Beispiele hierfür sind: Schneiden, reißen, analog malen sowie zeichnen, digital malen und zeichnen, ritzen, kneten, formen, überlagern, filtern, etc.
- Material: Wie Material schon verratet fokussiert sich diese Kategorie beispielsweise mit verschiedenen (Film-)Formaten, Papiersorten, verschiedenen Malutensilien, Texturen, Knete und noch vielen weiteren. Dabei kann schon das Zusammenspiel von unterschiedlichen Materialien verschiedene Endresultate bewirken.
- (Hilfs-)Werkzeuge: Die Abgrenzung dieser Kategorie zu Material ist etwas unscharf, da auch manche Materialien zu (Hilfs-)Werkzeuge im Arbeitsprozess werden können. Trotzdem braucht es diese Kategorie, da beispielsweise verschiedene Drucker mit demselben Papier und Bildmaterial komplett andere Texturen zaubern können. Weitere Beispiele für Werkzeuge sind: Framerate, Scanner, Pinsel, Schwämme, Editing-Software, etc.
Jeder Frame zählt bei mixed media animationen vor allem, wenn das video eine geringere Framerate hat. Deshalb muss man darauf achten, dass wenn man eine annähernd flüssige Bewegung mit mixed media generieren möchte, bei jedem Frame auf den Bewegungsablauf und das Timing achtet. Auch können Platzierungsüberlegunen in die Gestaltung des einzelnen Frames relevant sein. Das zeigt er beispielsweise bei seiner Arbeit am Musikvideo end game von Avey. Dort hatte er nicht nur mit einem flüssigen Bewegungsablauf des weißen Randes des Cut-outs Probleme, sondern beschäftigte sich auch mit der Platzierung der Cut-outs der Gesichtsteile. Dabei waren seine Überlegungen, bei welchem Frame die Überlagerungen eher auf der linken Seite und wann auf der rechten Seite zu finden sind (vgl. Harry Sung 2022, 10:00 – 11:14 min).
Tipps für den Entwicklungsprozess
Die Preproduktion hat wie in den meisten kreativen Feldern und besonders im Filmwesen einen enormen Stellenwert, da mit einer gewissenhaften und genauen Planung, idealerweise einiges an Zeit, Aufwand und Nerven gespart wird. Vor allem bei der Arbeit mit Mixed Media, welche oft sehr zeitintensiv werden kann, ist eine genaue Planungsphase und Eingrenzung eines oder mehrerer gewünschten Stile von großer Bedeutung. (vgl. Harry Sung 2022, 13:17 – 19:47 min).
Wie bereits am Anfang dieses Beitrages erwähnt, gibt es bei Mixed Media Animationen keine Technik oder Stilrichtung, welche alle Projekte abdeckt, da jedes Projekt seine eigenen Anforderungen und Stimmungen hat. So kann die Wahl der Technik allein einiges über die Stimmung oder intendierte Botschaft des Videos an die Betrachter:innen des Videos weitergeben. Deshalb ist es wichtig, bei kommerziellen Projekten immer bereits vorab – in der Preproduktionsphase – zu klären, was für Intentionen und Ziele die Auftraggeber:innen mit ihrem Projekt erzielen wollen. Auch ob es wichtige Richtlinien innerhalb der Marke gibt auf die man bei der Arbeit am Projekt achten sollte (vgl. Harry Sung 2022, 13:17 – 19:47 min).
Ebenfalls hilft eine Sammlung / Anfertigung von visuellen Referenzen in der Anfangsphase, um sich dem Endprodukt anzunähern. Auch wie im Film- und Animationsbereich kann ein Treatment, Storyboard, etc. helfen frühzeitig auf Fehler aufmerksam zu werden, da man niemanden ein Verwerfen des bereits Gemachten inmitten der Produktion wünscht. Da das mitunter ein enormen Verschleiß an Material und Zeit mit sich bringen kann. Beispielsweise müsste man für ein Musikvideo im Mixed Media Stil, welches mit analogen Überzeichnungen, analogen Cut-outs, etc. für jedes Frame arbeitet, das gesamte Material nochmals ausdrucken, schneiden, layouten, malen etc.. Deshalb gibt Harry Sung auch an bei kommerziellen Projekten aus Sicherheitsgründen die Materialkosten separat in der Rechnung anzuführen (vgl. Harry Sung 2022, 13:17 – 19:47 min).
Quellenverzeichnis
Frederico Avino (18.10.2023): Mixed-Media-Animation: Wenn Live-Action auf Animation trifft. In: Aleksundshantu.com Online: https://www.aleksundshantu.com/insight/mixed-media-animation/ (Zuletzt zugegriffen: 03.01.2024)
promoshin.com (2023): Why you need Mixed Media Animation for your next Video. Online: https://www.promoshin.com/discover-the-enthralling-realm-of-mixed-media-animation/ (Zuletzt zugegriffen: 03.01.2024)
Harry Sung (06.12.2022): Harry Sung: Principle of Mixed Media Animation. Veröffentlicht von: After-Hours Animation. Online: https://www.youtube.com/watch?v=TAh4hC_Rl1s (Zuletzt zugegriffen: 03.01.2024).