Was versteht man unter Kinetische Typografie?
Der Begriff setzt sich aus den Wörtern kinetisch – was aus dem griechischen soviel wie die Bewegung betreffend bedeutet (vgl. Kinetik 2023) – und Typografie – das Schriftbild – zusammen. Somit kann man allein durch die zwei Wörter bereits erahnen, dass es sich bei kinetischer Typografie um bewegten Text handelt, wie bereits das vorangestellte Zitat beleuchtet. Viele der Definitionen von Internet Quellen ähneln dem Zitat. Die Website Explain Ninja fügt dieser Definition noch hinzu, dass bei kinetischer Typografie nicht nur die Rolle der Übermittlung von semantischer Bedeutung zum tragen kommt, sondern dass sie durch Attribute wie Bewegung, Form, Farbe und Größe eine weitaus wichtigere Gewichtung in einem bestimmten Medium einnimmt (https://explain.ninja/blog/what-is-kinetic-typography-and-where-to-find-good-experts/ [Zuletzt zugegriffen: 23.10.2023]).
Auch Fachliteratur wie beispielsweise Barbara Brownie stimmt diesen Definitionen zu. Aber im Unterschied zu den Internet Quellen setzt sie sich weitaus intensiver mit den Begriffen auseinander und zeigt zum Beispiel in ihrem Buch Transforming Type: New Directions in Kinetic Typography auf, das der Begriff Typografie per se eigentlich als reproduzierter Text verstanden wird (vgl. Brownie 2017, XIII). Das lässt sich darauf zurückführen, dass der Begriff ursprünglich in der Renaissance grundsätzlich allmögliche Bereiche in Verbindung mit der „Buchdruckerkunst“, wie der konkrete Druckschriftentwurf (auch Typometrie genannt), den Letternguß, die verschiedenen Methoden zur drucktechnischen Schriftvervielfältigung oder die formale Gestaltung von Druckwerken absteckte. Heute wird Typografie als die Arbeit mit Schrift verstanden und im Speziellen eben mit Schriften, welche immer wieder eingesetzt werden können – also reproduzierbar sind (vgl. Typografie 2023). Vor allem weil in der statischen Typografie-Lehre eine Unterscheidung zwischen – eben bereits erklärten – Typografie und Lettering gemacht wird. Dabei wird alles als Lettering verstanden, was von Hand produziert wird, also Kalligrafie oder gemalte Buchstaben (vgl. Brownie 2017, XIII f).
Doch Barbara Brownie fügt hinzu, dass bei kinetischer Typografie diese Unterscheidung zwischen Typografie und Lettering nicht immer klar definierbar ist. Da sich die beiden Formen öfters innerhalb dieser Disziplin überschneiden. So kann durch Adaptionen der Schrift während des Animationsprozesses ein imitierendes Schriftbild entstehen, welches darüberhinaus eigene Charakteristika aufweist. Weshalb die Autorin in ihrem Buch verweist, dass für sie weniger die Unterscheidung von Typografie und Lettering in ihrer Beschäftigung mit kinetischer Typografie wichtig ist, sondern das kinetische Merkmal. Deshalb schließe ich mir ihr an und verwende den Begriff Typografie – wenn nicht explizit erläutert – simultan für beides (vgl. Brownie 2017, S.XIII f).
Eingliederung kinetische Typografie
Im Allgemeinen würde ich kinetische Typografie zu den Motion Design zählen, da sie oft auch gekoppelt in Erscheinung treten, bzw. ist kinetische Typografie auch ein Teil von Motion Graphics.
Als kurze Anmerkung: Der Unterschied von Motion Design und Animation ist, dass Animation eine weitaus komplexere Storytelling Struktur und Figurenentwicklung aufweist als Motion Graphics. Trotzdem gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen den zwei Kategorien (vgl. https://www.introbrand.com/blog/history-motion-graphics/ [Zuletzt zugegriffen: 27.11.2023]).
Motion Design und kinetische Typografie
Die ersten Experimente im Motion Design entstanden bereits am Ende des 19ten Jahrhundert. Prominente Figuren in den Anfängen waren die Futuristen. Leider sind ihre Kurzfilm-Experiment im Laufe der Zeit verloren gegangen. Generell wurde die Entstehung von Motion Graphics vom Bedürfnis nach der Einbindung mehrerer Sinne (Synästhesie) beeinflusst (vgl. https://www.introbrand.com/blog/history-motion-graphics/ [Zuletzt zugegriffen: 27.11.2023]).
In den 1940er und 1950er Jahren wurde Motion Design nicht nur in der Kunst eingesetzt, sondern unter anderem beim Main Title Design und in der Werbung. Kreative, wie Oskar Fischinger und Norman McLaren experimentierten bei ihren Motion Graphic Projekten weiter mit beispielsweise der Hilfe von Filmtechniken und förderten dadurch die Entwicklung des Motion Designs (vgl. https://www.introbrand.com/blog/history-motion-graphics/ [Zuletzt zugegriffen: 27.11.2023]).
Heutzutage sind Motion Graphics in vielen Produktionen und Bereichen in unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Motion Design findet man in Bereiche wie Werbung, Broadcast Design, Mobile Graphics, Filmtitel, Animation und im UX/UI Bereich. (vgl. https://www.introbrand.com/blog/history-motion-graphics/ [Zuletzt zugegriffen: 27.11.2023]).
Geschichte der kinetischen Typografie
Motion Design und kinetische Typografie
Die ersten Experimente im Motion Design entstanden bereits am Ende des 19ten Jahrhundert. Prominente Figuren in den Anfängen waren die Futuristen. Leider sind ihre Kurzfilm-Experiment im Laufe der Zeit verloren gegangen. Generell wurde die Entstehung von Motion Graphics vom Bedürfnis nach der Einbindung mehrerer Sinne (Synästhesie) beeinflusst.
In den 1940er und 1950er Jahren wurde Motion Design nicht nur in der Kunst eingesetzt, sondern unter anderem beim Main Title Design und in der Werbung. Kreative, wie Oskar Fischinger und Norman McLaren experimentierten bei ihren Motion Graphic Projekten weiter mit beispielsweise der Hilfe von Filmtechniken und förderten dadurch die Entwicklung des Motion Designs.
Heutzutage sind Motion Graphics in vielen Produktionen und Bereichen in unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Motion Design findet man in Bereiche wie Werbung, Broadcast Design, Mobile Graphics, Filmtitel, Animation und im UX/UI Bereich. (vgl. https://www.introbrand.com/blog/history-motion-graphics/ [Zuletzt zugegriffen: 27.11.2023]).
Kinetische Typografie und Main Title Design
Die animierte Typografie ist keine Neuheit mehr, wenn man sich denkt, dass sie bereits in den 1950er Jahren mit dem Berufsfeld des Main Title Design aufgekommen ist. Jedoch hatten bereits die ersten Stummfilme Titelsequenzen oder graphische Ebenen. Diese waren, im Gegensatz zu den heutigen Titelsequenzen oder Motion Graphics, weitaus einfacher aufgebaut (vgl. Krasner 2013, S.18). Sie bestanden meist aus einer statischen Schrifttafel, die separat mit Hilfe eines Dia-Auflichtprojektors auf die Leinwand projiziert wurde (vgl. Schaudig 2003, S.5;S.7).
Inhaltlich hatten die Textsequenzen zu dieser Zeit mehrere Aufgabenbereiche. Sie dienten nicht nur als Vorspann, sondern teilten dem Publikum auch vorführpraktische Informationen mit. Beispielsweise wurden die Damen gebeten ihre Hüte abzunehmen. Andererseits konnten die Filmrollenwechselpausen mit Hilfe dieser Technik genutzt werden, um dem Publikum einen Leitfaden für den weiteren Programmverlauf oder weitere Veranstaltungen zu geben (vgl. Schaudig 2003, S.184).
Die fehlende Tonspur erschwerte oft das Verständnis des Filmes. So bedienten sich die Filmemacher der Technik der Titelkarten, um dem Zuschauer grundlegende Details zu übermitteln. Schrifttafeln hatten niedrige Herstellungskosten und resultierend daraus konnten Typographen die Schrift kunstvoll mit einfachen Ornamenten und Farbe in Szene setzen. Die meisten Titelkarten enthielten weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund, wie es am Beispiel der Titelkarte des Films Intolerance (1916) (Abb. 1) zu erkennen ist. Als gestalterische Mittel wurden Linien, Umrisse oder kleine Zeichnungen benutzt (vgl. Braha, Byrne 2013, S.45).
Als 1927 mit dem Film „Der Jazzsänger“ der integrierte Ton aufkam, wurden die Zwischentitel nicht mehr benötigt. (vgl. Möllers 2006, S.9)
Im Zeitraum von 1932 bis 1946 erfuhr das Kino seinen größten wirtschaftlichen Aufschwung. Resultierend daraus entwickelten sich Vorspann und Abspann. Nicht nur Werbung wurde platziert, sondern auch immer mehr Namen der Produktionsmitarbeiter mussten aufgrund von Gewerkschaftsforderungen genannt werden. (vgl. Möllers 2006, S.8-11) Dabei verlagerte sich die vollständige Namensnennung von der Anfangssequenz zur Endsequenz. In der Titelsequenz wurde nur der „engere künstlerische Produktionsstab“ angeführt. (vgl. Schaudig 2003, S. 182)
Im Wettkampf mit dem Fernsehen entwickelte die Filmindustrie den Titelvorspann weiter. Durch Einführung „neuer Techniken, sowie die Optimierung der Herangehensweise“ (Möllers 2006, S.10) sollten die Zuschauer auf den darauffolgenden Film vorbereitet und von Anfang an gefesselt werden: Konzeptionelle Titelsequenzen waren geboren. (vgl. Möllers 2006, S.10)
Die 60er Jahre wurden auch als ‚The Golden Age of Film Titles‘ betitelt, dies lässt sich auf den amerikanischen Medienhistoriker David Peters zurückführen. Bekannte Titeldesigner sind unter anderem Pablo Ferro, Robert Brownjohn, Maurice Binder, Kyle Cooper, Garson Yu oder Saul Bass. (vgl. Möllers 2006, S.10-19). Durch das Vorantreiben aufwendiger Anfangssequenzen und die zunehmende Anerkennung des Titeldesigners wurde der Begriff ‚Main Title Design‘ geprägt. Die frühzeitige Einbindung der Designer in die Filmproduktionen und der Zugang zu den Drehbüchern ermöglichte ihnen noch mehr die Kernaussage des Filmes in ihren Anfangssequenzen für den Zuschauer freizusetzen (vgl. Möllers 2006, S.8-S.11). Heutzutage ist das Main Title Design von jeder Film-/Serienproduktion nicht mehr wegzudenken.
Beispiele
North by northwest bei Saul Bass (Schrift bewegt sich entweder von oben oder von unten ins Bild/ Simulation eines Fahrstuhls): https://www.artofthetitle.com/title/north-by-northwest/
Sphere bei Kyle Cooper (Schrift bewegt sich wie Wasser und es gibt auch 3D-Text Visualisierungen): https://www.artofthetitle.com/title/sphere/
Good Omens bei Peter Anderson Studio (Schrift scheint auf, dehnt sich aus und verschwindet wieder durch Transparenz, Typografie wirkt durch die materielle Ästhetik handschriftlich/analog): https://www.artofthetitle.com/title/good-omens/
Viele weitere Main Title Design Beispiele auf: https://www.artofthetitle.com
Kinetische Typografie als Teil zeitbasierter Medien
Die Schrift in zeitbasierten Medien – wie bereits im vorhergegangenen Kapitel erwähnt – tritt ziemlich rasch am Anfang der Film- und Fernsehgeschichte auf. Damals konnte man aber noch klar von der graphischen Ebene, welche im Nachhinein hinzugefügt worden ist, und dem filmischen Material unterscheiden. Heutzutage kann Typografie so gut in Hintergrundumgebungen integriert werden, dass sie ähnlich wie das eigentliche Filmmaterial gehandhabt wird. Zeitbasierte Medien „dramatisieren“ Schrift, in dem, dass sie sozusagen zum Leben erweckt wird (vgl. Brownie 2017, S.4f).
Die Popularität von kinetischer Typografie geht auf die Notwendigkeit von textlichen Elementen innerhalb von zeitbasierten Medien zurück. Der Vorteil von kinetischer Typografie dabei ist, dass sie als Hilfestellung und als Leitfaden genutzt werden kann. So kann der richtige Einsatz beispielsweise im Main Titel Design schon die richtige Atmosphäre für den darauffolgenden Film setzen oder auch in der Werbung durch die gewählte Erscheinungsform ein Gefühl für die Firma hinter der Werbung zu den Zuschauer:innen transportieren (vgl. Brownie 2017, S.4f).
Für diese Anforderungen kann kinetische Typografie wie es auch im Printbereich üblich ist, auf Elemente wie Farbe oder Schriftwahl zurückgreifen. Aber da es sich auch um ein zeitbasiertes Medium handelt, kann sich kinetische Typografie auf Werkzeuge wie den Principles of Animation berufen. Diese Ebene verleiht der Typografie außerdem noch weitaus mehr expressive Charakteristika, die über den Einsatz von verschiedenen Schriftschnittsetzungen (z.b. bold oder kursiv) hinausgehen. So kann die das Wort „glücklich“ nicht nur linguistisch den Zustand des glücklich seins ausdrücken, sondern auch durch die auf und ab springende Bewegung auf einer darstellenden Ebene (vgl. Brownie 2017, S.4f).
Abschließen möchte ich diesen Blogeintrag und meine erste Auseinandersetzung mit kinetischer Typografie damit, dass ich gemerkt habe, wie stark Schrift auch in zeitbasierten Medien zum Einsatz kommt, was meiner Meinung nach, auch durch die angeführte kurze historische Auseinandersetzung klar wird. Als weitere tiefergehende Recherchepunkte würden sich zum einen die verschiedenen Erscheinungsformen und anderen die verschiedenen Anwendungsweisen von Animationen im Bezug auf Typografie anbieten.
Literaturverzeichnis
Braha, Yael, Byrne, Bill: Creative Motion Graphic Titling for Film, Video, & the Web – Burlington: Focal Press, 2013.
Brownie, Barbara: Transforming Type: New Directions in Kinetic Typography – London: Bloomsbury, 2014.
Buhse Eric: Der Vorspann als Bedeutungsträger: Zu einer zentralen Strategie zeitgenössicher Fernsehserien – Darmstadt: Büchner-Verlag, 2014.
Krasner, Jon: Motion Graphic Design: Applied History of Aesthetics – Burlington: Focal Press, 2013.
Möllers, Nadine: Das Main Title Design von Kinoproduktionen – Potsdam-Babelsberg: Grin Verlag, 2006.
Schaudig, Michael: Das Ende vom «Ende». In: montage AV – Zeitschrift für Theorie und Geschichte audiovisueller Kommunikation, 12/2, 2003, S. 182-194.
Quellenverzeichnis
Explain Ninja (11.08.2022): What is Kinetic Typography and Where to Find Good Experts? https://explain.ninja/blog/what-is-kinetic-typography-and-where-to-find-good-experts/ [Zuletzt zugegriffen: 23.11.2023].
Introbrand (04.08.2017): The History of Motion Graphics – from Synaesthesia to Saul Bass. In introbrand.com: (vgl. https://www.introbrand.com/blog/history-motion-graphics/ [Zuletzt zugegriffen:27.11.2023]).
Kinetik (2023): In Online Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/Typografie [Zuletzt zugegriffen: 23.11.2023].
Tiernan, Jonny (15.08.2022): Kinetic typography: the what, why, and how. In linearity: https://www.linearity.io/blog/kinetic-typography/ [Zuletzt zugegriffen: 23.11.2023].
Typografie (31.10.2023): In Typolexikon: https://www.typolexikon.de/typografie/ [Zuletzt zugegriffen: 23.11.2023].
https://www.cs.cmu.edu/~johnny/kt/dist/files/Kinetic_Typography.pdf