Hattest du schon mal das Gefühl, dass deine eigenen Erfolge nur durch Zufall passieren? Wartest du nur darauf, dass jemand merkt, dass du gar nicht so kompetent bist wie viele denken? Kennst du das Gefühl nicht gut genug zu sein und nur durch Täuschung an deine Ziele zu gelangen? Wenn du damit kämpfst deine eigenen Erfolge anzunehmen und denkt du hättest deine Leistungen nicht wirklich verdient, dann leidest du womöglich unter dem „Imposter-Syndrom“. Dieses Phänomen betrifft Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen. In diesem Blog möchte ich mich näher mit der Definition des Imposter-Syndroms beschäftigen. Vielleicht findest du dich oder eine dir bekannte Person in den folgenden Zeilen wieder.
Ladge, Eddleston und Sugiyama definieren das Imposter-Syndrom als Tendenz den eigenen Erfolg auf reines Glück und Täuschung zurückzuführen, nicht aber auf die eigenen Fähigkeiten. Die eigenen Erfolge können nicht verinnerlicht werden. Personen, die unter dem Imposter-Syndrom leiden, werden von außen als erfolgreich angesehen, kämpfen jedoch innerlich mit Selbstzweifeln und nehmen sich als inkompetent wahr. Laut den Autorinnen gibt es nur wenige Forschungen, die neben den Persönlichkeiten und der psychischen Gesundheit, auch externe Faktoren untersuchen. Im Jahr 1978 haben Clance und Imes herausgefunden, dass sehr erfolgreiche Frauen eher unter dem Imposter-Syndrom leiden. Laut den beiden Autoren sehen Männer ihre Erfolge eher als etwas Angeborenes. Frauen hingegen führen ihre Erfolge auf externe Einflüsse wie beispielsweise Glück zurück. Es wurde in der Forschung festgestellt, dass Männer „self-enhancing bias“ und Frauen „self-derogatory bias“ haben. Männer haben also die Tendenz sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, während Frauen dazu tendieren sich selbst abzuwerten.1
Gadsby spricht von einem weit verbreiteten Phänomen, dass Menschen in allen Lebensbereichen betreffen kann. In den 70er Jahren wurde dieses Konzept eingeführt, weckte jedoch kein wissenschaftliches Interesse. Das Imposter-Syndrom steht im Widerspruch mit der Annahme, dass das Denken der Menschen rational ist, der Wahrheit entspricht und das eigene Wohlbefinden fördert. Das Imposter-Syndrom ist eine Art von Selbstbetrug und keine Krankheit. Clance und Imes gaben dem Syndrom daher die Bezeichnung „Imposter-Phänomen“, was neutraler ist. Das Imposter-Syndrom ist mit bestimmten Einstellungen, Verhaltensweisen und Gefühlen verbunden. Ein affektives Merkmal des Imposter-Syndroms ist die Angst enttarnt zu werden als jemand, der nicht in seine Rolle passt und dessen Erfolg nicht verdient ist. Diese Sorge bringt viel psychologische Folgen mit sich wie Stress, Angst und emotionale Erschöpfung. Personen, die am Imposter-Syndrom leiden, denken, dass es ihnen an Fähigkeiten fehlt. Laut Gadsby sind Betroffene genauso gut, wenn nicht sogar besser als andere Personen ihrer Altersgruppe. Ihre eigene Einschätzung ist also falsch und ungerechtfertigt. Positive Testergebnisse, Lob und Anerkennung von Kolleg*innen sprechen für die Fähigkeiten einer Person. All diese Beweise zeigen bei Personen mit Imposter-Syndrom keine Wirkung. Betroffene Menschen bezweifeln die Richtigkeit von guten Bewertungen und verschließen sich gegenüber Fakten, die ihre Kompetenz bestätigen. Erfolge werden falsch eingeschätzt und auf Glück und harte Arbeit zurückgeführt.2
Unternehmerinnen haben oft mit dem Imposter-Syndrom zu kämpfen, da sie eigene Ideen realisieren und verkaufen. Ihre Arbeit wird in diesem Zuge als Erweiterung ihres Selbst angesehen. Ladge, Eddleston und Sugiyama sprechen von drei Gründen, die das Imposter-Syndrom bei Frauen verstärken können und ihre Identität als Unternehmerin prägen. Als ersten Faktor nennen sie familiäre Anforderungen. Mutterschaft und Unternehmensführung sehen viele als unvereinbar und widersprüchliche Ideologie. Bei berufstätigen Müttern kann diese Diskrepanz zu Schuldgefühlen und psychischem Druck führen. Berufstätige Mütter werden als weniger warmherzig wahrgenommen, allerdings auch als kompetenter. Durch das Imposter-Syndrom können berufstätige Mütter möglicherweise nicht ihre Kompetenzen und Erfolge verinnerlichen und reduzieren sich zudem auf das nicht gerecht werden der Erwartungen an ihre Geschlechterrolle, als führsorgliche Mutter. Die Rolle als Unternehmerin wird als Konkurrenz zur Mutterrolle gesehen.3
Als zweiten Faktor wird der Mangel an erfolgreichen Vorbildern genannt. Das Suchen und Finden von Vorbildern im eigenen Fachgebiet können die Findung der beruflichen Identität unterstützen. Von diesen Vorbildern können Verhaltensweisen studiert und als Grundlage für die eigene Identitätsbildung herangezogen werden. Positive Vorbilder bestärken Frauen in ihrer unternehmerischen Selbstwirksamkeit und erhöhen ihr Selbstbewusstsein. Wenn Unternehmerinnen wenige Frauen vorfinden, zu denen sie aufschauen können, könnten sie beginnen zu glauben, dass ihr eigener Erfolg ein reiner Zufall und Irrtum ist. Somit kann sich in weiterer Folge das Imposter-Syndrom verstärken.4
Außerdem kann das Imposter-Syndrom bei Frauen durch die Unternehmensleistung hervorgerufen werden. Wie profitabel das eigene Unternehmen ist, wird als Indikator herangezogen. Entweder sagt der Profit aus, dass das Wachstum stagnierend ist, oder es werden Werte vorgefunden, die auf einen Erfolg hindeuten. Wenn zweiteres zutrifft, wird auch hier wieder von Glück ausgegangen. Im Vergleich zu Männern tendieren Frauen dazu ihre Erfolge nur dem Glück zuzusprechen. Dies kann das Imposter-Syndrom noch weiter verstärken.5
1 vgl. Ladge/Eddleston/Sugiyama 2019, S. 619
2 vgl Gadsby 2022, S. 3-7
3 vgl. Ladge/Eddleston/Sugiyama 2019, S. 619f
4 vgl. Ladge/Eddleston/Sugiyama 2019, S. 620
5 vgl. Ladge/Eddleston/Sugiyama 2019, S. 620
Literaturverzeichnis:
Gadsby, Stephen. „Imposter Syndrome and Self-Deception“. Australasian Journal of Philosophy 100, Nr. 2 (3. April 2022): 247–61. https://doi.org/10.1080/00048402.2021.1874445.
Ladge, Jamie/Eddleston, Kimberly/Sugiyama,Keimei: Am I an entrepreneur? How imposter fears hinder women entrepreneurs’ business growth. In: Business Horizons 62,5 (2019), S.615-624