Die Filmindustrie steht seit Jahrzehnten in der Kritik, wenn es um die Repräsentation und Beschäftigung von Frauen hinter der Kamera geht. Der Celluloid Ceiling Report, der seit 22 Jahren die Anstellung von Frauen in zentralen kreativen und technischen Positionen in den erfolgreichsten Filmen untersucht, bietet eine ernüchternde Bestandsaufnahme dieser Ungleichheiten. Der Bericht von 2019 zeigt, dass Frauen zwar leichte Fortschritte erzielen konnten, aber immer noch signifikant unterrepräsentiert sind (Lauzen 2020, 1).
Fortschritte und Stagnation
Im Jahr 2019 stellten Frauen 20 % der Personen in den Schlüsselpositionen (Regie, Drehbuch, Produktion, Schnitt, Kamera) bei den 100 umsatzstärksten Filmen, was eine Steigerung gegenüber 16 % im Jahr 2018 darstellt. Bei den 250 erfolgreichsten Filmen betrug der Anteil 21 %, gegenüber 20 % im Vorjahr. Auf den 500 erfolgreichsten Filmen blieb der Anteil mit 23 % konstant (Lauzen 2020, 2). Besonders auffällig ist die Entwicklung im Bereich Regie: Während 2018 nur 4 % der Regisseure weiblich waren, stieg diese Zahl 2019 auf 12 %, was einen historischen Höchststand darstellt (Lauzen 2020, 2).
Trotz dieser Fortschritte bleibt die Gesamtbilanz ernüchternd. Frauen besetzen am häufigsten Positionen als Produzentinnen (27 %) und Editorinnen (23 %), während sie in technischen Bereichen wie Kamera (5 %) oder Spezialeffekte (4 %) kaum vertreten sind (Lauzen 2020, 4). Besonders alarmierend ist, dass 85 % der untersuchten Filme keine einzige weibliche Regisseurin hatten und 95 % keinen weiblichen Kameraposten besetzten (Lauzen 2020, 5).
Der Einfluss weiblicher Regisseurinnen
Ein anderer Aspekt des Berichts ist der Einfluss von weiblichen Regisseurinnen auf die Besetzung weiterer zentraler Positionen. In Filmen mit mindestens einer weiblichen Regisseurin lag der Anteil an Frauen in anderen kreativen Rollen signifikant höher: 59 % der Drehbuchautor:innen, 43 % der Editor:innen und 21 % der Kameraleute waren weiblich. In Filmen mit ausschließlich männlichen Regisseuren lagen diese Zahlen bei nur 13 %, 19 % und 2 % (Lauzen 2020, 9). Diese Zahlen verdeutlichen die Relevanz weiblicher Führungskräfte für eine gerechtere Geschlechterverteilung hinter den Kulissen.
Mangelnde Chancengleichheit und strukturelle Barrieren
Die Zahlen des Celluloid Ceiling Report offenbaren systemische Barrieren für Frauen in der Filmindustrie. Besonders in technischen Berufen wie Kamera oder visuelle Effekte bleibt der Frauenanteil extrem niedrig, was auf strukturelle Exklusion hinweist. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Tendenz, Frauen in weniger kreativen oder entscheidungsrelevanten Positionen zu beschäftigen – beispielsweise als Produzentinnen statt als Regisseurinnen oder Drehbuchautorinnen.
Ein Grund für diese Ungleichheit sind geschlechtsspezifische Netzwerkeffekte und die „Old Boys’ Club“-Mentalität vieler Filmproduktionen. Männer besetzen häufiger Führungspositionen und neigen dazu, Männer für Schlüsselrollen zu rekrutieren. Dies führt zu einem Teufelskreis, in dem Frauen seltener die Chance bekommen, Erfahrung in prestigeträchtigen Positionen zu sammeln (Lauzen 2020, 5).
Was ist notwendig?
Um diese Ungleichheiten zu verringern, sind gezielte Fördermaßnahmen erforderlich. Dazu gehören:
Quoten und Diversitätsvorgaben: Initiativen wie die „4% Challenge“ der Time’s Up-Bewegung, die Studios dazu ermutigt, mehr Regieaufträge an Frauen zu vergeben, können positive Effekte haben.
Förderung weiblicher Netzwerke: Mentoring-Programme und Stipendien für Frauen in technischen Filmberufen könnten langfristig den Anteil von Frauen in diesen Bereichen erhöhen.
Transparenz und Berichterstattung: Studien wie der Celluloid Ceiling Report sind essenziell, um den Fortschritt oder die Stagnation der Gleichstellung zu dokumentieren und politischen Druck auszuüben.
Trotz leichter Fortschritte zeigt der Bericht, dass Frauen in der Filmindustrie nach wie vor mit massiven Barrieren konfrontiert sind. Die Filmbranche muss erkennen, dass Geschlechtervielfalt nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der kreativen Qualität ist. Nur durch systematische Veränderungen kann eine gleichberechtigte und innovative Filmindustrie entstehen.
Literatur
Lauzen, Martha M. The Celluloid Ceiling: Behind-the-Scenes Employment of Women on the Top 100, 250, and 500 Films of 2019. San Diego State University, Center for the Study of Women in Television & Film, 2020.