Die Animation als Kunstform entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Künstler:innen verschiedener Strömungen das bewegte Bild als neues Medium entdeckten, um Bewegung in ihre Gemälde und grafischen Designs zu integrieren. In „Animation: Art and History“ wird Leopold Survage erwähnt, der versuchte, abstrakte Malereien in animierte Sequenzen zu überführen, was jedoch zunächst nicht gelang. Ein Durchbruch der abstrakten Animation fand in den 1920er und 1930er Jahren statt, als Künstler wie Oskar Fischinger, Len Lye und Norman McLaren 35-mm-Filme produzierten, die häufig durch Werbetreibende oder staatliche Institutionen finanziert wurden.
Lotte Reininger
Als eine der Schlüsselpersonen für die Entwicklung der Animation ist im deutschsprachigen Raum Lotte Reiniger zu nennen. Sie beeinflusste die frühe Entwicklung der Animation, besonders durch ihre innovative Nutzung der Scherenschnitttechnik. Ihr erster Animationsfilm, die Abenteuer des Prinzen Achmed, gilt als einer der ersten Spielfilme dieser Art und war wegweisend in der Animationsgeschichte. Mit einem kleinen Team gelang es ihr, innerhalb von drei Jahren den ersten animierten Film, bestehend aus Figuren mit realistischen Proportionen zu gestalten und Animation als ernstzunehmende Kunstform zu etablieren. Während der Produktion war sie für die Handlung, die Fertigung der Figuren und die Animation der Figuren verantwortlich.
Trotz des Erfolgs von Prinz Achmed in England und Frankreich blieb Reiniger in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, was teilweise an der mangelnden Verfügbarkeit guter Kopien ihrer Werke lag. Dennoch bleibt ihr Einfluss auf die Animation nachhaltig, da sie das Potenzial der Animation als künstlerische Ausdrucksform maßgeblich mitgestaltete und eine eigene Ästhetik entwickelte.
Innovationen in Amerika
Nachdem Disney den Charakter Oswald aufgegeben hatte und Mortimer (Mickey) Maus entstand, wurde in den 1920er Jahren die erste Disney-Animation, Plane Crazy gestaltet. Steamboat Willie war der erste Film, der erfolgreich Ton und Animation synchronisierte, was zu der Technik des „Mickey Mousing“ führte, bei der Geräusche und Bewegungen perfekt aufeinander abgestimmt wurden. Disney verband in den „Silly Symphonies“ Musik und Bewegung zu einer künstlerischen Einheit. Mickey Mouse wurde international populär und trug zur Entwicklung eines weitreichenden Film- und Merchandising-Imperiums bei. Obwohl viele der vermeintlichen Disney-Innovationen bereits zuvor getestet oder entwickelt wurden, wusste Walt Disney, zu welcher Zeit neue Ideen und Techniken dem Publikum gezeigt werden sollten. Er führte Storyboards ein, deren Nutzen in anderen Studios zu der Zeit noch umstritten war. Außerdem setzte er als einer der Ersten das Technicolor Verfahren ein und die Multipan Kamera, um räumliche Tiefe zu erzeugen.
Eine weitere Innovation war der bis dahin undenkbare, abendfüllende Animations-Spielfilm. Schneewittchen und die sieben Zwerge war in den 1930er Jahren das Projekt, das in der Branche „Disneys Irrsinn“ genannt wurde. Für eine damals große Summe von zwei Millionen Dollar realisierten Walt und Roy Disney den ersten abendfüllenden Animations-Spielfilm. Zum einen war Schneewittchen und die sieben Zwerge ein großer Meilenstein für die Animationsfilmbranche. Zum anderen war die Branche nach dem Erfolg von Disney sehr geprägt von den Wertevorstellungen seiner Filme – Realismus, Lieder und Detailfreude. Im Kurzfilm-Genre konnten weiterhin avantgardistische Ideen verfolgt werden, während animierten Spielfilmen mit denselben Erwartungen wie Disney begegnet wurde.
Internationale Kurzfilme der 1940er und 1950er Jahre
Obwohl im NS-Staat abstrakte Kunst verboten war, entstanden einige wenige Werke wie das Strich-Punkt-Ballett von Herbert Seggelke. Er zeichnete beim Strich-Punkt-Ballett Elemente mit einem Fettstift auf den Zelluloidstreifen, begleitet von Jazzmusik. Viele Künstler:innen, darunter auch Oskar Fischinger emigrierten in die USA und prägten dort das experimentelle Animationskino. Fischinger entwickelte viele Arbeiten abseits der Studios, um seine künstlerische Identität ausleben zu können. Ab zirka 1934 entwickelte sich in den USA eine Regieszene, mit Fokus auf Abstraktion, Oskar Fischinger diente vielen von ihnen als Vorbild.
Internationale Kurzfilme der 1960er Jahre
In den 1960er Jahren entwickelte sich die internationale Animationsszene weiter. Fernsehstudios setzen primär auf standardisierte Inhalte für das Kinderprogramm während viele Animationskünstler nach Wegen suchten, um ihre Ideen von künstlerischen und gesellschaftskritischen Kurzfilmen zu realisieren. In der Sowjetunion gelingt Fedor Chitruk mit „Geschichte eines Verbrechens“ ein wegweisender Film, der soziale Realität kritisch reflektiert. Dies inspirierte verschiedene andere Regisseure, wobei viele Arbeiten der Zensur unterworfen waren. 1968 wurden die ersten realen Menschen in einem Animationsfilm dargestellt. Der Spielfilm Yellow Submarine wurde von zwei kanadischen Trickfilmern geplant, gemeinsam mit dem Grafiker Heinz Edelmann entwickelten sie einen Animationsfilm, geprägt von der Flower-Power-Zeit in einem bunten, surrealistischem Stil.
Seit den 1980er Jahren entwickelt sich der künstlerische Animationsfilm konstant weiter. Besonders in Europa entsteht eine lebendige Szene, die durch Kunsthochschulen, Festivals und innovative Techniken gefördert wird. Der Animationsfilm nutzt seinen bildnerischen Ausdruck als primäre Sprache und entwickelt ständig neue Stile.
Basgier, Thomas: Pioniere des Animationsfilms. In: Friedrich, Andreas (Hrsg.): Filmgenres. Animationsfilm. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2012
Basgier, Thomas: Internationale Kurzfilme der 1940er und 1950er Jahre. In: Friedrich, Andreas (Hrsg.): Filmgenres. Animationsfilm. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2012
Basgier, Thomas: Internationale Kurzfilme der 1960er und 1970er Jahre. In: Friedrich, Andreas (Hrsg.): Filmgenres. Animationsfilm. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2012
Friedrich, Andreas/Henz, Dominique: Schneewittchen und die sieben Zwerge. In: Friedrich, Andreas (Hrsg.): Filmgenres. Animationsfilm. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2012
Gruner, Götz: Internationale Kurzfilme seit den 1980er Jahren. In: Friedrich, Andreas (Hrsg.): Filmgenres. Animationsfilm. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2012
Leslie, Esther: it’s mickey mouse. In: Furniss, Maureen (Hrsg.): Animation. Art & History. New Barnet: Libbey Publishing Ltd 2012, S. 21 – 25
Moritz, William: Some Critical Perspectives on Lotte Reiniger. In: Furniss, Maureen (Hrsg.): Animation. Art & History. New Barnet: Libbey Publishing Ltd 2012, S. 14 – 19
Platthaus, Andreas: Die Abenteuer des Prinzen Achmed. In: Friedrich, Andreas (Hrsg.): Filmgenres. Animationsfilm. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2012
Starr, Cecile: Fine Art Animation. In: Furniss, Maureen (Hrsg.): Animation. Art & History. New Barnet: Libbey Publishing Ltd 2012, S. 9 – 11
Vossen, Ursula: Yellow Submarine. In: Friedrich, Andreas (Hrsg.): Filmgenres. Animationsfilm. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2012
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