IMPULS // 06 Inventing Anna

Die Netflix-Serie Inventing Anna (2022) erzählt die (mehr oder weniger) wahre Geschichte der Hochstaplerin Anna Sorokin, die sich unter dem Namen Anna Delvey als reiche Erbin ausgab, um Zugang zur New Yorker High Society zu erlangen. Basierend auf dem investigativen Artikel „How Anna Delvey Tricked New York’s Party People“ von Jessica Pressler (2018) beleuchtet die Serie die Mechanismen von Macht, Täuschung und Geschlechterrollen in einer von Männern dominierten Finanz- und Medienwelt. Die Serie ist nicht nur spannend, sondern bietet auch gesellschaftskritische Ansätze, die für meine Masterarbeit relevant sind und insbesondere als Impuls dienen können.

Handlung

Die Serie folgt der Journalistin Vivian Kent (inspiriert von Jessica Pressler), die sich mit der Geschichte von Anna Delvey auseinandersetzt. Anna, eine russischstämmige Frau, gibt sich als wohlhabende deutsche Erbin aus und schafft es, sich in exklusive Kreise einzuschleusen. Sie überzeugt Geschäftsleute, Hotelmanager und Freund:innen, ihr Geld zu leihen, mit dem Versprechen, es bald zurückzuzahlen. Während sich die Wahrheit um Annas Identität langsam entwirrt, zeigt die Serie ihre Verhaftung und den darauffolgenden Prozess. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern Anna eine Betrügerin oder vielmehr eine Frau ist, die mit männlichen Strategien spielt, um sich in einer von Machtstrukturen geprägten Welt zu behaupten.

Inszenierung von Weiblichkeit und Macht

Anna Sorokin ist eine faszinierende Figur, weil sie die gängigen Vorstellungen von Weiblichkeit in der Finanzwelt unterwandert. Sie nutzt ihr äußeres Erscheinungsbild, ihr selbstbewusstes Auftreten und ein perfektioniertes Storytelling, um sich als vertrauenswürdige Geschäftsfrau zu inszenieren. Dabei folgt sie bewusst Stereotypen, um Erwartungen zu bedienen: Sie kleidet sich modisch, spricht mit Überzeugung und nutzt soziale Medien, um ihre vermeintliche Exklusivität zu inszenieren. Doch ihre Strategie beruht nicht nur auf oberflächlichen Attributen – sie versteht es, sich in männerdominierte Räume zu begeben und dort ernst genommen zu werden. Die Darstellung von Anna in der Serie wirft Fragen nach den Mechanismen auf, mit denen Frauen sich in solchen Bereichen behaupten müssen. Während männliche Unternehmer für ihre Risikobereitschaft gefeiert werden, wird Anna als Hochstaplerin kriminalisiert. Diese doppelte Moral ist in vielen Branchen erkennbar.

Weibliche Narrative und mediale Rezeption

Ein interessanter Aspekt von Inventing Anna ist die mediale Rezeption des Falls. Während Anna selbst als machtbewusste Frau dargestellt wird, die sich nicht scheut, bestehende Strukturen zu hinterfragen, inszeniert die Presse sie oft als manipulative Betrügerin. Dieses Spannungsfeld zeigt sich auch in der realen Medienlandschaft, in der Frauen in der Unterhaltungsbranche oft kritischer betrachtet werden als ihre männlichen Kollegen.

Für meine Masterarbeit ist dieser Aspekt daher besonders relevant. Frauen, die sich in männlich dominierten Branchen durchsetzen möchten, sehen sich nicht nur strukturellen Barrieren gegenüber, sondern müssen sich auch einer kritischen Öffentlichkeit stellen, die ihre Erfolge oft anders bewertet als die von Männern. Annas Geschichte dient als Beispiel dafür, wie Frauen sich durch Inszenierung und strategisches Geschichtenerzählen einen Platz in diesen Räumen erkämpfen – eine Dynamik, die auch in der Filmproduktion zu beobachten ist, wo Regisseurinnen und Produzentinnen häufig doppelte Standards erfahren.

Impuls

Inventing Anna zeigt, dass Frauen in (kreativen) Branchen oft gezwungen sind, sich stärker zu behaupten und gleichzeitig mit negativen Stereotypen zu kämpfen. Die Serie wirft dabei relevante Fragen auf: Wie können sich Frauen in Männern dominierten Industrien behaupten, ohne als „unprofessionell“ oder „manipulativ“ abgestempelt zu werden? Wie beeinflussen mediale Narrative das Bild von Frauen in Machtpositionen?

Die Serie – die auf einer wahren Begebenheit basiert – ist weit mehr als nur eine Geschichte über Betrug. Sie ist eine Reflexion über weibliche Machtstrategien, mediale Repräsentation und strukturelle Barrieren. Sie zeigt, dass Erfolg für Frauen oft strengeren Maßstäben unterliegt und dass Inszenierung ein wesentliches Element ist, um sich in männlich dominierten Branchen zu behaupten.

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