Sei es in der Unterhaltungsbranche oder in der Vermarktung, Storytelling ist unabdinglich. Deshalb fokussiert sich dieser Blogbeitrag auf Storytelling oder im Spezielleren auf die Figur innerhalb des Storytellings, da sie neben dem Plot ein wichtiges Standbein des Storytellings ist. Als Literaturquelle wurde Story – Die Prinzipen des Drehbuchschreibens von Robert McKee herangezogen. Zwar stützt sich McKee bei seiner Beschreibung auf Drehbücher von Filmen, trotzdem kann man auch für andere Bereiche des Storytellings Rückschlüsse ziehen.
Charakter ≠ Charakterisierung
Der Charakter einer Figur ist nicht dasselbe wie die Charakterisierung einer Figur. Die Charakterisierung schließt alle Eigenschaften, Werte, äußere Attribute und Verhaltensmuster einer Figur mit ein (vgl. McKee 2019, S.116).
Wie bereits das vorangestellte Zitat von Robert McKee beschreibt, kann der Charakter einer Figur durch die Entscheidungen, welche unter Druck gefallen sind, ersichtlich werden. Würde sich beispielsweise eine Figur in einer lebensbedrohlichen Situation für die Wahrheit entscheiden, obwohl eine Lüge ihr aus der Lage helfen würde, zeigt dies das der Charakter dieser Figur sehr viel Wert auf Ehrlichkeit setzt. Den Druck braucht es bei der Definition von Charakter, da ohne ihn Entscheidungen zu Oberflächlichkeiten werden (vgl. McKee 2019, S.117ff).
Enthüllung der Illusion
Die maßgebliche Bedeutung einer guten Erzählung ist die Enthüllung des wahren Charakters oder der Widerspruch zur Charakterisierung. Zuseher:innen möchten nicht, dass zum Beispiel das Auftreten eines liebevollen Ehemanns am Ende genauso scheint wie es am Anfang etabliert worden ist. Denn wenn der wahre Charakter und die Charakterisierung einer Figur genau gleich sind, wird die äußere und innere Erscheinung der Figur festgefroren und die Rolle eine reine Wiederholung von vorhersehbaren Verhaltensweisen. Die Figur wird eindimensional und uninteressant (vgl. McKee 2019, S. 119).
Figurbogen
Wie das Zitat bereits vorweg nimmt, wird beim Schreiben einer Figur ein Bogen gespannt, welcher eine bestimmte Entwicklung (positiv/negativ) abbildet. Dieser Entwicklungsablauf kann man in 5 Teile gliedern:
- Die Handlung charakterisiert den oder die Protagonist:in
- Bekanntmachung mit dem Innersten der Figur
- Dieser Tiefencharakter ist nicht deckungsgleich mit der äußeren Erscheinung/Haltung der Figur. Sie steht im Gegensatz bzw. im Widerspruch zum Tiefencharakter.
- Die Handlung übt, nach Offenlegung des inneren Wesens der Figur, immer mehr Druck auf sie aus, damit sie immer schwierigere Entscheidungen treffen muss.
- Alle getroffenen Entscheidungen der Figur haben sie bis zum Höhepunkt tiefgreifend verändert (vgl. McKee 2019, S.121f).
Die Wechselwirkung Struktur und Figur
Um die wahre Natur einer Figur rauszukitzeln, benötigt es wie bereits erwähnt Druck. Dieser Druck wird im Storytelling von der Struktur des Plots erzeugt. Die Figur bringt ihre Charakterisierungseigenschaften mit. Verknüpft werden diese zwei Elemente durch das Handeln der Figur. Damit eine Figur als authentisch anerkannt wird müssen die gewählten Handlungen der Figur ihren Eigenschaften entsprechen. Es ist auch wichtig darauf zu achten, dass durch jede getroffene Entscheidung der Figur, verändert sie sich und kann daher im Verlauf der Geschichte anders handeln (vgl. McKee 2019, S.122f).
Wie facettenreich Figuren sind, muss dem Genre angepasst werden. Normalerweise sind Figuren im Action- / Abenteuerfilme Bereich eher einfach gestaltet, damit sie nicht allzu sehr von den Stunts ablenken können. Geschichten, welche persönlichen oder inneren Konflikt beinhalten, benötigen komplexe/tiefgründige Figuren (vgl. McKee 2019, S.124).
Fazit
Diese Bestandsaufnahme der Figur im Storytelling kratzt gerade einmal die Oberfläche eines weitläufigen Feldes. Man könnte noch auf Subthemen, wie Klischees und Rollenbilder oder mögliche Figuren-Kategorien eingehen. Trotzdem zeigt dieser Beitrag die fundamentalen Attribute auf, welche bei der Entwicklung von Figuren wichtig ist. Außerdem können diese Prinzipien nicht nur auf menschliche Figuren angewendet werden, sondern auf alle möglichen Protagonisten einer Handlung wie beispielsweise einem Wort oder einem einzelnen Buchstaben.
Literaturverzeichnis
McKee, Robert: Story – Die Prinzipien des Drehbuchschreibens. Berlin: Alexander Verlag Berlin, 12. Auflage, 2019.