Die Erscheinungsmöglichkeiten von Titelsequenzen sind vielfältig. Neben der Einteilung nach Platzierung im Film (ganz am Anfang, nach einer Eröffnungsszene oder ganz am Ende), können Vorspanne verschiedene gestalterische Elemente aufgreifen, welche auch gänzlich von der Machart des Films abweichen kann. Somit stellt sich die Frage: Kann man Titelsequenzen auch mit Hilfe ihrer Charakteristika, neben der Verortung im Film, kategorisieren?
In der Literatur gibt es nicht viele Quellen, welche sich mit dieser Fragestellung auseinandersetzen. Nadine Möllers beschäftigte sich 2006 in ihrer Diplomarbeit an der Hochschule für Film- und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam Babelsberg unter anderem einer möglichen Kategorisierung von Titelsequenzen. Ihr Kriterium für eine Differenzierung der Anfangssequenzen ist die Unterscheidbarkeit in ihrer Funktion. Sie erwähnt dabei auch, dass diese nicht universell auf Titelsequenzen anwendbar sei (vgl. Möllers 2006, S.40).
In der narrativen Funktion finde man im Sequel eine Subhandlung vor, in der die wichtigsten Informationen, wie Charaktere, Ort oder Zeit, vorgestellt werden. Sie können als Resümee in Erscheinung treten, wie zum Beispiel im Film Catch Me If You Can (2002) designt von Oliver Kuntzel. Der Zuschauer erfasst die inhaltliche Vorwegnahme erst im Heranschreiten des weiteren Verlaufs (vgl. Möllers 2006, S.40). Ein moderneres Beispiel wäre die Disney+ Serie Percy Jackson (2023). Ebenfalls wie bei Catch Me If You Can werden, im Serienvorspann Inhalte und Konflikte der Serie vorweggenommen. Diese werden dem Publikum aber erst nach Eintreffen der Konflikte bewusst.
Vorspannsequenzen, welche den Rezipienten auf der Gefühlsebene ansprechen, zählt Möllers zu der emotionalen Funktion (vgl. Möllers 2006, S.42f). Die Verbindung von Musik und verzerrten schwarz-weiß Aufnahmen von Gesichtsteilen im Film Seconds (1966) löst beim Betrachter oder bei der Betrachterin Unbehagen aus. Dieser Vorspann wurde von Saul Bass designt.
Weiteres führt Möllers die informative Funktion an. Anfangssequenzen dieser Kategorie würden in ihrer Gestaltung wesentliche Ereignisse, Zeitangaben oder Begebenheiten des Spielfilms beinhalten (vgl. Möllers 2006, S. 43). Beim Film Juno (2007) haben Gareth Smith und Jenny Lee mit einer Cut-out Animation die Hauptprotagonistin Juno durch ihre Nachbarschaft gehen lassen. Die Resultate sind eine indirekte Charakterisierung Junos und eine Sensibilisierung auf die darauffolgende Atmosphäre.
Die ästhetische Visualisierung eines Sequels fällt laut Möllers in die formale Funktion. Beispielsweise im Film Good Bye Lenin (2002), wird anhand von symbolischen Bildern und Farbgestaltung den Betrachter:innen vermittelt, dass die Handlung in der DDR stattfindet (vgl. Möllers 2006, S.44f).
Laut Möllers erzeugt die verrätselte bzw. verwirrende Funktion in einem Vorspann einen Spannungsaufbau, welcher bei den Rezipienten und Rezipientinnen einen Bedarf nach Klärung veranlasst (vgl. Möllers 2006, S.46f). Titeldesigner Kyle Cooper bedient sich dieser Funktion bei seiner Anfangssequenz für Dreamcatcher (2003). Hier verformen sich Bilder von Wäldern zu Nahaufnahmen von einem Traumfänger, um sich dann wiederum in Bilder von nicht erkennbaren Strukturen zu verwandeln. Der Rezipient oder die Rezipientin kann kaum etwas vom Verlauf der Handlung erahnen.
Als eine andere Funktion erwähnt Möllers die kommerzielle Seite. Diese verbindet die Titelsequenz mit dem Marketing. Diesbezüglich wird ein eigenes Erscheinungsbild für den Film entworfen, welches sich nicht nur in der Anfangs- und Endsequenz widerspiegelt, sondern auch im Marketingkonzept der gesamten Produktion vorzufinden ist. Ein Beispiel dazu wäre der 3D-Animationsfilm Monster AG (2001). Hier wurde seitens des Sequels von Pixar eine eigene 2D Animation erstellt (vgl. Möllers 2006, S.48).
Sehr beliebt bei Fortsetzungsfilmen ist, laut Möllers, die wiedererkennbare Funktion. Hier legen Produzenten und Produzentinnen besonders viel Wert auf die Wiedererkennung, was dem Titeldesigner oder der Titeldesignerin ermöglicht, mit vorangegangenen Designelementen, wie Typografie, zu arbeiten (vgl. Möllers 2006, S.48f). Beispielsweise, adaptiert die James Bond-Reihe ihre Gewehrlauf-Sequenz je nach neuem Darsteller, aber in den Grundzügen bleibt sie gleich. Auch den Filmen der Harry Potter-Reihe liegt eine einheitliche Titelsequenz zugrunde. Das schwebende Warner Bros Picture-Logo und die schwebenden Titel variieren nur in Farbe und Gestaltung. Bei der Nachfolgereihe Fantastic Beasts and where to find them orientieren sich die Titelsequenzen an der Gestaltung der Harry Potter-Reihe.
Fazit
Wie bereits erwähnt ist das eine mögliche Kategorisierung von Titelsequenzen, welche sich vor allem auf die grundlegende Funktion des Vorspanns stützt. Interessant wäre es die Titelsequenzen unter anderen Aspekten wie Genre zu analysieren. Gibt es auch Muster, welche das Genre eines Films bereits in der Titelsequenz verraten?
Quellenverzeichnis
Möllers, Nadine: Das Main Title Design von Kinoproduktionen. Potsdam-Babelsberg: Grin Verlag, 2006